NADELSALAT

Kann man Weihnachtsbäume essen? Diese Frage wurde, vielleicht auch wegen stark gestiegener Lebensmittelpreise und angesichts zurzeit in großer Zahl an den Straßenrändern abgelegter, außer Dienst gestellter Weihnachtsbäume, in einem Presseorgan gestellt und zugleich bejaht. Zum Beweis wurde dem Artikel das Foto eines einen Tannenbaum verzehrenden Elefanten beigefügt.

Sollten man sich entschließen, seinen Weihnachtsbaum nicht der Müllabfuhr zu überantworten, sondern ihn auf den Speiseplan zu setzen, gibt es einiges zu beachten.

Selbst als dickhäutiger Mensch oder mit der Neigung, seinen Rüssel in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken ist man kein Elefant. 

Deshalb ist vom Verzehr roher Tannennadeln abzuraten. Es sei denn, man ist habituelle/r Wodkatrinker/in oder Mitglied eines Shanti-Chores. Dann verfügt man über ein sehr widerstandsfähiges Zäpfchen und ebensolche Stimmbänder. 

Der Volksmund nennt es Knorpel auf der Schalmei.

Für alle anderen empfiehlt sich für die Zubereitung der Griff zu einem gängigen Kochbuch, etwa Jamie Oliver, Ottolenghi, oder das bei Veganer beliebte ‚Was wächst da lecker auf dem Bahndamm‘. Man wird dort zwar keine Weihnachtsbaumrezepte finden, aber doch einige Anregungen, wie man anderes störrisches Grün, zum Beispiel Artischocken, kulinarisch aufbereiten kann.

Beim Ernten beginnt man als Anfänger am besten mit den weicheren Nadeln an der Baumspitze. Die der unteren Äste sind zwar geschmacksintensiver aber schwerer verdaulich.

Hatte man eine Eibe als Weihnachtsbaum aufgestellt, verbietet sich jeglicher Verzehr! Eiben sind hübsch, aber giftig.

Hat man alle Nadeln abgeerntet, sind Stamm und Äste keineswegs nutzlos.

Sägt man den Stamm an der Spitzte unterhalb der ersten fünf bis sechs Äste ab, kürzt diese Äste bis auf ca. zwei Zentimeter am Stamm und entfernt die Rinde, hat man einen sehr brauchbaren Quirl in der Hand. Nach unten fortfahrend, kann man auf diese Weise, je nach Größe des ehemaligen Weihnachtsbaums, an die fünf bis sechs weitere Quirle herstellen, die man als Geschenke für das nächste Weihnachtsfest aufbewahrt.

Der Rest des Baums eignet sich, entsprechend zugeschnitten, als Kaminholz.

Aber Achtung: Bis auf einige Ausnahmen sind Kaminöfen seit dem 1. Januar dieses Jahres aus Umweltgründen verboten.

Aber: Auch wenn man seinen Kaminofen nicht mehr mit den Resten des Weihnachtsbaums befeuern darf, wird nach Entfernen der Schamottsteine, hellgrau angestrichen und mittels eines Bausatzes umgerüstet, aus dem Kaminofen eine preiswerte Wärmepumpe.

Bei allem hier Aufgeführten gilt:

Vor dem Verzehr der Nadeln Ihres Weihnachtsbaums fragen Sie Ihren Arzt. Vor dem Verfeuern des Restholzes Ihren Schornsteinfeger. 

UdM 

ER WAR…

Sie verehren ihn im Geheimen, sie verehren ihn öffentlich.

Sie lassen sich 88, die Doppel-Acht für HH auf die nackten Schädel, auf die vom Hochreißen muskulösen rechten Arme, auf die vom Marschieren strammen Schenkel und Gesäße tätowieren.

Sie lauschen grölend ihrem gesichert rechtsextremen Herold auf Thüringer Marktplätzen.

Und nun das: Ihrer Polit-Mystikerin Alice ist auf Wolke X der Engel Elon erschienen und sie verkündet: Hitler war Kommunist.

Auch wenn sie kichert – diese Mystikerin scherzt nicht. Was mag sie damit meinen ?

UdM

2025

Ich habe mir vorgenommen, mich im neuen Jahr nicht mehr soviel zu ärgern. Ich werde also, was um mich herum geschieht nicht mehr unerhört, skandalös, unglaublich oder ähnlich nennen, sondern seltsam, bizarr, schlimmstenfalls lächerlich, vielleicht lustig. 

Ich werde es also zum Beispiel nicht mehr ärgerlich, sondern albern finden, wenn der Supermarkt an der Ecke in Großbuchstaben behauptet, er renoviere seine Räume für mich. Und wenn ich das nächste Mal meinen Pass verlängern lassen muss und man mich auf dem Amt, wie zurzeit üblich, Kunde nennt, werde ich das nur seltsam finden, weil ein Kunde sich ja üblicherweise freiwillig irgendwo hinbegibt und nicht gezwungenermaßen.

Lily Brett wundert sich in einer ihrer New-York-Glossen (Immer noch New York, Weihnachtsgeschenk, lesenswert), dass es dort Mode geworden ist, Kunden in Kaufhäusern, Supermärkten, Modegeschäften neuerdings als Gäste anzusprechen. Ihr Hinweis, als Gast werde sie von ihren Gastgebern beim Verabschieden nicht zur Kasse gebeten, stieß auf Unverständnis.

Aber wie wäre es, wenn man bei uns den Behörden-Euphemismus Kunde zum Behörden-Gast optimierte. Ich stelle mir vor, wie ich auf dem Bürgeramt nach dem Nümmerchenziehen Schaumwein bis zum Abwinken kredenzt bekomme und den zwei Dutzend angesäuselten anderen armen Schweinen, die da schon ein paar Stunden auf ihren Drahtstühlen vor sich hin warten aufmunternd zuprosten könnte.

Dann wären Behördengänge nicht mehr ärgerlich, sondern lustig.

Soviel zu ein paar kleinen Dingen des Lebens. Da wäre dann noch Donald Trump und ein paar seiner großen Dinger: Grönland, Kanada, Panama-Kanal, Golf von Amerika.

Finde ich, siehe oben, erstmal MAGA – skurril.   

UdM

DIE STADT UND DER MÜLL

Im Zusammenhang mit der Debatte um die Hartz-Reformen im Jahre 2001, erklärte der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder:“Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft.“ Darüber wurde heftig gestritten.

Nicht streiten läßt sich darüber, dass es kein Recht auf die Vermüllung unserer Städte gibt. Die Deutschen gehören zwar zur internationalen Spitze, wenn es um Mülltrennung geht. Aber kommt Sylvester, sehen es die meisten als ihr gutes Recht an, Straßen, Plätze und Parks mit Raketen, Böllern, Krachern und neuerdings auch Kugelbomben, bzw. deren Überresten zu verschmutzen.

Dazu kommen leere, Bier-, Wein- und Sektflaschen, Tüten und Eimer. Da im neuen deutschen Selbstverständnis für die Beseitigung dieser Hinterlassenschaften die Straßenreinigung, also die Allgemeinheit zuständig ist, hat kaum jemand ein schlechtes Gewissen, wenn er oder sie den Dreck einfach liegenläßt.

Hebt in den Tagen danach irgendjemand etwas auf, weil es den Bürgersteig blockiert oder die Haustüre, kassiert er irritierte oder gar mitleidige Blicke. Ein Verrückter: kümmert sich um anderer Leute Müll!

Um Tote und Verletzte kümmern sich Notärzte, Krankenhäuser und Bestattungsunternehmen.

H.R.

TITEL THESEN TEMPERAMENTE

Gerade wird über den neuen Moderator des ARD-Kulturmagazins gestritten. Als besondere Eignung für die Aufgabe erwähnt er, dass seine Eltern beide Buchhändler seien. Dass er außerdem ein nach Einschätzung von Leserinnen misogynes Buch mit dem Titel „In 80 Frauen um die Welt“ geschrieben hat, bedauert er. Für die Kulturchefs und -chefinnen der ARD-Sender, die ihn nach Casting und „Nutzertesting“ auswählten, war es offenbar wichtiger, dass sein „Kulturbegriff…eher unterkomplex“ sei.

Vor einem halben Jahrhundert war ich Redakteur bei „TTT“, das damals vom Hessischen Rundfunk produziert wurde. Die Sendung wurde nicht moderiert. Die Beiträge mussten so gestaltet sein, dass sie auch ohne einführende Worte verstanden werden konnten. Es ging um Literatur, Kunst, Musik, Philosophie und um Kulturpolitik. Als wir begannen, auch über neue Filme zu berichten, war das eine kleine Kulturrevolution.

„TTT“ war, so wie „aspekte“ im ZDF, eine Sendung für Kulturinteressierte. Es ging nicht um „niedrigschwellig“, um jung oder alt. Es ging um Kultur! Und natürlich auch vor 50 Jahren schon darum, möglichst viele Menschen zu erreichen.

Und dann wäre da noch die Frage, wieso sich in den Kulturredaktionen der neun ARD-Sender, des Deutschlandfunks und des ZDF keine Person finden ließ, die als Moderator:in hätte geeignet sein können? Irgendetwas läuft da verkehrt.

H.R.

DER UNTERHALTER

Im Grunde ist Donald Trump ein Entertainer. Es geht ihm um Aufmerksamkeit, Applaus und öffentliche Präsenz, mit der sich nebenbei Geld verdienen läßt. Er ist der Stand-up Comedian der Republikanischen Partei.

Angenommen, es hätte ihn zu den Demokraten verschlagen. Ein historischer Zufall (oder Unglücksfall) hätte ihm die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten eingebracht: Er würde nicht anders agieren. Sein Spott und seine Beleidigungen träfen in diesem Fall Rassisten, Klimaleugner, Autokraten, Isolationisten, wichtigtuerische Milliardäre, Antifeministen und Abtreibungsgegner.

Seine republikanische Gegenkandidatin Marjorie Taylor Greene würde er als rechtsradikale Dumpfbacke, Anhängerin von Verschwörungstheorien , Putinfreundin und als hässlich und mental gestört bezeichnen. Vor allem würde er ihr nachsagen, dass sie nur die willfährige Puppe präfaschistischer Ideologen sei, die mit legalen und illegalen Tricks die Wahlen manipulieren und ein antidemokratisches System errichten wollten. Kurz und gut: Eine Feindin des amerikanischen Volkes! (Und vermutlich die heimliche Geliebte von Elon Musk.)

Trump stünde dann zwar unterhaltungstechnisch auf der „richtigen Seite“. Aber als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wäre er trotzdem eine historische Katastrophe.

H.R.

DONALD UND DIE HUNDEFRESSER

Zuerst die gute, von den US-Republikanern allerdings noch nicht bestätigte Nachricht: Illegale Migranten in den Vereinigten Staaten verspeisen keine Menschen, wie es in einigen der Fluchtländer angeblich bis heute üblich sei.

Die schlechte Nachricht: Es ist D.T. vollkommen egal. Ihm reicht es, wenn amerikanische Hunde und Katzen gegessen worden sein sollten. „It‘s great news. Greatest news ever! Don‘t believe lying Kamala. I have beaten her big!“

H.R.

DIE NEUE MIOSGA

Nun geht es auch bei „Carmen Miosga“ zu wie in einer richtigen Polittalkshow: polemisch, streng nachfragend, mit zugespitzten Einspielern. Und damit die Moderatorin nicht Gefahr läuft argumentativ alleine dazustehen, zwei Gäste die – „Hau-den-Lukas“ – als Hilfssheriffs auf Sarah Wagenknecht einprügeln.

Das alles wäre nicht weiter erwähnenswert, hätte die Nachfolgerin von Anne Will und Gegenmodell zu Maybrit Illner, nicht bisher die sanfte, sich zuwendende Fragerin gegeben. Könnte sein, dass die „neue Härte“ im Fall von Sarah Wagenknecht nach hinten losgegangen ist. In der Süddeutschen Zeitung lautete die Überschrift zur Sendungskritik: „Helft dieser Frau“. Gemeint war Wagenknecht, nicht Miosga.

H.R.

DELONS HUND

Alain Delon hat in seinem Testament verfügt, dass bei seinem Tod, sein treuer Gefährte eingeschläfert und mit ihm begraben werden soll. Der Hund hat das abgelehnt.

H.R.

TYRANNEI DER EMOTIONEN

Sportwettkämpfe und große Gefühle sind keine einfache Sache. Spätesten seit dem Ende des Nationalsozialismus begegnete man dem großen Gefühl, dem Pathos in der Rede, allem, was nach Blut, Schweiss und Tränen roch, mit Skepsis und Ablehnung. Ratio, Sachlichkeit, der schwarze Rollkragenpullover regierten zumindest im Bereich der Kunst und Kultur. Das sportliche Ereignis büxte schon früh wieder aus. Deutschlands Sieg in der Fußballweltmeisterschaft 1954 war Balsam für die geschundene deutsche Seele. Der legendäre Live-Kommentar vom Endspiel ist zum historischen Allgemeingut geworden, frei von starker Emotionalisierung ist er nicht.

Bei der Berichterstattung über die diesjährige Olympiade in Frankeich fällt auf, wie sehr es nicht in erster Linie um den Sport, das Training, die Taktik oder die langjährige Qual des Körpers geht, sondern um die Gefühle der SportlerInnen vor, beim und nach dem Wettkampf. 

Keine Reportage, kein Interview ohne das Herauskitzeln der ungeheuren emotionalen Bedeutung des Sieges oder der Niederlage. Die Sportler selbst sprechen von überwältigenden Momenten des Sieges, der phantastischen emotionalen Kulisse im Hintergrund, der Rührung bei der Nationalhymne. Kein Satz, in dem es nicht um „unfassbare“ und „unbeschreibliche“ Momente geht. Immer wieder wird unnachgiebig nachgefragt, was der Moment mit den Sportlern „gemacht“ hat, warum die Tränen flossen, wie es der Ex-Freundin des Goldmedaillengewinners erging, als sie noch nicht wußte, dass sie ebenfalls eine Medaille erschwimmen würde. In einem Insert wurde die Olympiateilnehmerin tatsächlich als Exfreundin vorgestellt, als handele es sich um eine Berufsbezeichnung. Ein Wettstreit der Tränen aus Freude oder Enttäuschung, die Berichterstattung legt nahe, dass die starken Emotionen die Bedeutung des sportlichen Wettkampfs autorisieren. Reporter und Kommentatoren, die nicht richtig im Wettstreit der Emotionen mitspielen, sind offensichtlich fehl am Platze: nach der  Abschlußveranstaltung wurde ein ZDF-Kommentator kritisiert, weil er angeblich zu  wenig emotional anläßlich dieser überwältigenden Gala in Paris geblieben sei. 

Beitrag von G.H.