Unsere Freundin Maria ist empört. Die jüngsten Äußerungen des ukrainischen Botschafters haben sie zurecht wütend werden lassen. Kurz gesagt, behauptet er, seine Landsleute kehrten zunehmend in ihre Heimat zurück, weil sie in Deutschland schlecht behandelt würden.
Maria, ihr Mann und eine ganze Reihe von Freunden kümmern sich seit Beginn des Krieges insbesondere um Frauen und Kinder, die in Berlin ankommen. Sie standen mit belegten Broten und Getränken an den Bahnhöfen, besorgten Kleider, Spenden, Wohnungen, medizinische Betreuung. Und sie haben das auch schon für die Flüchtlinge die aus Syrien kamen in ähnlicher Weise getan.
Maria ist wütend. Hoffentlich erreichen ihre Enttäuschung und ihre Wut den Botschafter. Dies hier ist ihr offener Brief an ihn:
Seine Exzellenz,
Sehr geehrter Herr Botschafter Melnyk
Sie beklagen sich aktuell über unsere mangelnde Gastfreundschaft ukrainischen Flüchtlingen gegenüber.
Sie kennen Kerstin nicht. Kerstin steht jeden Morgen um 4 Uhr am Fließband einer Großbäckerei. Als ich für die Kiewer Musiklehrerin Nadja und ihre zwei Kinder eine Bleibe suchte, ist Kerstin zu ihrem Freund gezogen und hat ihre Marzahner Mietwohnung kostenlos mit Vertrag den drei Flüchtlingen überlassen.
Sie kennen Barbara nicht. Barbara führt ein Kino, steht jeden Abend an der Kartenkontrolle. Barbara hat ihre Wilmersdorfer Wohnung geräumt für die Kiewer Geschäftsfrau Anna mit ihren Kindern Mascha und Wanja.
Sie kennen Jens nicht. Er ist ein freier Publizist und hat die schönste Datscha direkt an einem Brandenburger See frei gemacht. Für Tamara und Katja aus Kiew.
Sie kennen Dieter nicht. In einem seiner drei Zimmer in Steglitz sind Olga aus Kiew mit Anastasia und Wanja untergekommen.
Olga aus Odessa wohnt mit zwei Söhnen, einer ist schwerbehindert, ebenfalls mietfrei in Moabit bei einem Bekannten.
All meine helfenden deutschen Freunde sind nicht besonders wohlhabend. Wir unterstützen die Ukrainerinnen und ihre Kinder in sämtlichen administrativen und alltäglichen Belangen. Zudem haben wir sehr viel Spaß zusammen, gehen gemeinsam in die Oper, ins Konzert, in die Waldbühne zu Björk demnächst, auf Stadtteilfeste, wir kochen und feiern.
Wenn Sie mehr wissen möchten: wir alle würden Sie einladen, aber unsre Wohnungen sind klein. Gern jedoch besuchen wir Sie in Ihrer Zehlendorfer Residenz oder in der Botschaft und berichten Ihnen von den vielen Hilfsbereitschaften. Machen Sie sich aber bitte wegen der Verpflegung keine Mühe.
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Maria Ossowski
H.R.