REALITÄTSVERWEIGERUNG

Zwischen den Autobahnkreuzen Oranienburg und Wittstock/Dosse auf dem Weg nach Hamburg oder Rostock gab es viele Jahre eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 130 Kmh. Dann war die Strecke viele Jahre eine Riesenbaustelle mit Tempo 80. Dann waren die Baustellen verschwunden und mit ihnen die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Es habe so wenige Unfälle gegeben, dass eine Einschränkung nicht mehr angebracht sei.

Seitdem wird gerast und gedrängelt, so wie es sich der Verkehrsminister von der FDP, der gegen Tempolimits auf deutschen Autobahnen kämpft, in einem freien Autofahrerland zu wünschen scheint. Seitdem gibt es einen Zusammenstoß nach dem anderen. Am vergangenen Wochenende waren auf der A24 über 20 Fahrzeuge in unterschiedliche Unfälle verwickelt.

Die Moderatorin auf Antenne Brandenburg fragte sich und uns: „Könnte die Hitze daran Schuld sein?“

Na, klar! Die Hitze war es. Die hatte sich am ganzen zusätzlichen CO2 verschluckt.

H.R.

DER SCHULHUND

In einer Berliner Schule gibt es jetzt einen Schulhund. Er wird von einer Familie, deren Kind in diese Schule geht, umsonst zur Verfügung gestellt. Ich habe Dina gefragt, ob das nicht auch etwas für sie wäre.
Dina hat sich flach auf den Boden gelegt, die Ohren hochgestellt und mich lange angestarrt. Was ich in ihrem Blick zu lesen glaubte, war ungefähr:
„Ist das Dein Ernst? Hast Du die Enkel gefragt, ob ihnen das Recht wäre? Was gibt es in der Schule zu essen? Muss ich mich von jedem Kind streicheln lassen? Darf ich bellen? Gibt es eine Schulkatze, die ich jagen kann?“
Ich habe das Thema nicht weiter vertieft und ihr ein Leckerei gegeben.
H.R.

FLUGPECH

Möglicherweise könnte die gescheiterte Pazifik-Reise der deutschen Außenministerin als Anlass dienen, darüber nachzudenken, was sie im Wahlkampf so versprochen hat und dann nicht halten konnte.

Keine Kurzstreckenflüge, öfter mal den Zug nehmen, statt der Flugbereitschaft eine Linienmaschine. Der Zwangsaufenthalt in Abu Dhabi hätte also Gelegenheit für ein wenig grüne Flugscham geboten.

Schade ist es schon, dass die „seit langem sorgfältig geplante Reise“, zu der (Überraschung!!) ein Besuch des Halbfinales der Frauenfußballweltmeisterschaft in Australien gehört hätte, für Annalena Baerbock und ihre 50köpfige Delegation so abrupt endete.

Andererseits sind die deutschen Fußballspielerinnen ja auch schon lange wieder in der Heimat.

H.R.

WARTENDE HUNDE

Eine Berliner Fotografin fotografiert seit fast 30 Jahren Hunde, die in verschiedenen Situationen auf ihre Frauen und Herrn warten. Gewidmet sind die Bilder einem japanischen Hund, der 10 Jahre auf seinen verstorbenen Herrn auf einem Bahnhof gewartet hat (Barbara Wrede: Wartende Hunde-Ein Buch über die Treue, Fred & Otto-Verlag).

Diese wartenden Hunde berühren uns sehr. Sie erzeugen starke Emotionen bei den Betrachtern. Die sehnsuchtsvollen Blicke, diese tiefgründige Traurigkeit im Mienenspiel, dieses Warten mit dem ganzen Körper auf den einen erlösenden Moment werten wir als ein Aufgehen in einer absoluten Emotion.

Frage an Radio Eriwan: „Verfügen Hunde über wahrhaftigere Gefühle als Menschen?“ „Im Prinzip nein. Aber wir erfreuen uns daran.“

G.H.

WELTMEISTER

Fußballweltmeisterschaften haben eine wichtige emotionale Funktion hinsichtlich der mentalen Volkshygiene: man fiebert oder ängstigt sich stellvertretend, die Mannschaft oder Frauschaft steht für das Wohl oder Wehe einer Nation. Und das individuelle Ich fühlt sich eben so siegreich oder schlecht. Bei sportlichem Erfolg kann das Glücksgefühl des Sieges persönliches Leid und Missgefühl vergessen machen, im umgekehrten Fall Depressionen hervorrufen. Es geht im Volksempfinden immer um mehr als den sportlichen Erfolg oder die Niederlage.

Die Suche nach den Ursachen für das frühe Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft der Frauen bei der Weltmeisterschaft bohrt tief in unserer momentanen Befindlichkeit. Fehlender Biss, Einfallslosigkeit und Mangel an Kreativität, die Überforderung durch einen als vermeintlich schwach eingeschätzten Gegner scheinen am deutschen Wesen zu kleben. Scheiterte nicht im vergangenen Jahr die deutsche Nationalelf der Männer in Katar ähnlich und aus denselben Gründen? Das kann doch kein Zufall sein! Geht es nicht in allem bei uns zur Zeit bergab? Sind uns andere Nationen überlegen und das nicht nur im Sport? Haben wir mit veränderten politischen Verhältnissen, Kriegen, dem Boom chinesischer Elektrofahrzeuge und dem wachsenden Selbstbewußtsein der südlichen Hemisphäre gerechnet?

Fußballweltmeister, Exportweltmeister, Weltmeister in German Angst, so viele Weltmeister- Titel, die man verlieren kann.

G.H.

DIE TAUBE

Auf unserer Terrasse hat eine Taube gebrütet, gute zwei Wochen lang. Sie sitzt in einem Blumentopf der mit Gräsern bepflanzt ist. Der Topf steht auf der Terrassenmauer im dritten Stock vor einer Glasscheibe, die den Regen abhalten soll.

Die Taube hat uns akzeptiert. Zuerst war es ein Ei, dann kam ein zweites hinzu. Das ist so bei Tauben. Wir waren gespannt, ob alles gut geht.

Seit ein paar Tagen sind die jungen Tauben da. Wir waren richtig stolz auf die Taube, geradezu glücklich. Haben fast so etwas wie elterliche Gefühle.

Es ist schließlich „unsere Taube“.

H.R.

YELLOWSTONE

In der HBO-Serie „Yellowstone“, die zur Zeit in der Megathek der Telekom zu sehen ist, geht es um Mord und Totschlag im heutigen Montana. Konflikte werden in der Tradition des „wilden Westens“ der USA gelöst. Leichen, die beim Kampf um Land, Geld und Macht regelmäßig anfallen, werden der Einfachheit halber in einer Schlucht im Grenzgebiet zu Wyoming entsorgt.

Die These des britischen Philosophen und Staatstheoretikers Thomas Hobbes (1585 – 1679), dass „der Mensch des Menschen Wolf“ sei und es eine Art „Naturrecht“ gebe, zur Selbstbehauptung als sein eigener Richter aufzutreten, wird auf aktueller, spätkapitalistischer Bühne höchst unterhaltsam in fünf Staffeln durchexerziert.

Durch das ganze altestamentarische („Auge um Auge…“) Gemetzel reitet unverwüstlich Kevin Costner.

H.R.

ER WILL DOCH NUR SPIELEN

In einem Radiobeitrag ging es um die Rolle von Hunden in der Filmgeschichte. Also Lassie, Rin Tin Tin und Kommissar Rex. Eine Trainerin für Filmhunde führte aus, dass nicht bestimmte Hunderassen wie Collie oder Schäferhund für den Schauspielerberuf prädestiniert seien. Es komme lediglich auf das Training und die Förderung des Hundes an. Vor allem aber müsse der Hund sehr gern im Mittelpunkt stehen, sozial verträglich sein und Lust am Spielen haben.

Es sei nicht für jeden Hund verkraftbar, wenn 60 Menschen von der Filmcrew schweigend und bewegungslos der Szene folgen und anschließend dem Hund applaudieren. Filmhunde genießen offenbar diese Aufmerksamkeit. Frei nach Schiller: Nur wo der Hund spielt, ist er ganz Hund!

Hund und Schauspieler sollten sich übrigens vor dem Dreh ausgiebig kennenlernen. Ist das nicht möglich, bleibt oft das Verhältnis von beiden beim Dreh zu distanziert.

Was heißt distanziert? Erfahrene SchauspielerInnen wissen doch, dass man neben Hunden (und auch Kindern) nie spielen sollte. Sie stehlen einem die Show!

Gastbeitrag von G.H.

KEVIN SPACEY

Wer das Geld und die Nerven hat, sich gegen Vorverurteilungen wegen sexueller Übergriffe juristisch zu wehren, der kann freigesprochen werden. Aus Mangel an Beweisen oder wegen erwiesener Unschuld. Kevin Spacey ist das gerade gelungen.

Wer nicht das Geld oder die Nerven hat, und wer noch dazu von seinem Arbeitgeber unter Druck gesetzt wird, der bleibt vorverurteilt, auch wenn Aussage gegen Aussage steht und Gegenüberstellungen nie stattgefunden haben. Im Zweifel gilt die Verurteilung durch die Medien.

H.R.

DER TIERZAHNARZT

Dina ist jetzt acht Jahre alt. Ihre Zähne waren schon länger nicht mehr die besten. Sie wurden regelmäßig gebürstet, mit Mineralpaste behandelt, einmal wurde auch Zahnstein entfernt. Die Zähne wurden nicht besser, vor allem die unteren Vorderzähne sahen besorgniserregend aus.

In Charlottenburg gibt es einen auf Tiere spezialisierten Zahnarzt, dessen Kollegin, unterstützt von zwei Assistentinnen, sich Dinas Gebiss anschaute. Ergebnis: Totalsanierung unter Narkose. Zähne entfernen, Zahnfleisch zurückschneiden, Zähne freilegen. Das ganze Programm!

Vor der OP musste geklärt werden, welche Narkosemittel Dina bekommen darf (irgendetwas mit einer Hirnschranke, die nicht durchbrochen werden darf). Wir waren nervös, verunsichert und fanden im Netz neben vielen sehr guten, auch eine schlechte Beurteilung der Praxis. Auch die robuste Brandenburger Züchterin äußerte sich skeptisch. Die Nacht vor dem Termin war schlaflos.

Alles ist gut verlaufen, Dina planmäßig eingeschlafen und wieder aufgewacht. Beim Abholen zeigte uns der Arzt eine Powerpoint Dokumentation des Eingriffes. Wir hatten keine Ahnung was da in Dinas Maul so alles versteckt war. Zum Abschied gab uns der Arzt mit auf den Weg: „Und frischer aus dem Maul riechen wird sie auch!“

Dina hat jetzt ein paar Zähne weniger, aber alle anderen sehen ganz toll aus!

H.R.