Hunde hassen Silvester, weil sie die lauten Böller fürchten. Die Lautstärke versetzt sie aufgrund ihrer empfindlichen Hörorgane in Angst und Schrecken, manche verkriechen sich tagelang unter einem Sofa. Wir wissen, dass bei Menschen Verkehrslärm, Baulärm, laute Musik zu gesundheitlichen Schäden an Körper und Psyche führt. Dennoch steht das Leise in unserer Gesellschaft, die Relevanz durch größtmögliche Aufmerksamkeit definiert, nicht hoch im Kurs. Wir müssen laut sein im Kampf für das Klima, wir müssen laut sein gegen Rechts, etc. Erfolg scheint es nur dort zu geben, wo man lauter und wütender ist als andere, die es zu übertönen gilt. Meine Mutter sagte: „Wer schreit, hat Unrecht.“
Hat ein gutes Argument, leise vorgetragen, eine wichtige, aber unspektakulär ausgeführte Handlung keinen Wert? Kann das falsche und laut vorgetragene Argument nur durch das noch lauterere richtige Argument widerlegt werden?
Ich war als Jugendlicher Rowdy in einer Rockband. Die Zuhörer beschwerten sich ständig, dass die Band zu laut spiele und man zu wenig von der Musik höre. Die Bandmitglieder nahmen sich deshalb bei jedem neuen Auftritt vor, leiser zu spielen. Kaum ging es los, sagte der Bassmann, dass man ihn nun nicht mehr höre und drehte den Verstärker weiter auf, dann der Sänger, dann der Gitarrist uns so weiter, bis letztlich die Verstärker aller Musiker bis zum Anschlag aufgedreht waren.
Ein Gastbeitrag von G.H.