HÖFLICHKEITEN

Wie mit so vielem, liegt es auch mit der Höflichkeit in unserem Land im Argen. Abgesehen von vielen Rüpeleien, die man täglich ertragen muss, ist auch das korrekte Einandervorstellen einer betrüblichen Beliebigkeit zum Opfer gefallen. Wo in einer schönen Vergangenheit Benimmbücher, das berühmteste der Knigge, regelten, wer wem und wie vorgestellt wird, beziehungsweise in welcher Reihenfolge sich die Geschlechter, Altersgruppen und Würdenträger miteinander bekanntmachen, wird man zuweilen mit einem ‚Ich bin der Olli, und du? ‘, konfrontiert, ohne dass man den Wunsch geäußert hätte, die Person, von der man so angesprochen wurde, näher kennenzulernen, geschweige denn, sich mit ihr zu duzen.

Was die Werke, in denen man sich über angemessenes Verhalten gegenüber Fremden informieren konnte, aber sicher nicht regelten, war das höfliche Auftreten gegenüber einem Mitmenschen, dessen Haustier man versehentlich entleibt hat.

Wie etwa tritt man Bäuerinnen oder Bauern gegenüber, deren Huhn man als Autofahrer auf einer Dorfstraße übersehen hat, und das nun leblos auf dem Anger liegt? Vielleicht so: ‚Mein Name ist Max Mustermann, ich habe bedauerlicherweise soeben ihre Legehenne überfahren. Es tut mir leid.‘

Wenn man Pech hat, und der Bauer so zornig auf Die-da-oben ist, dass er einer gesichert rechtsradikalen Partei nahesteht, ruft er vielleicht die Polizei und lässt die Bremsspur überprüfen. Läuft es gut, sagt die Bäuerin: ‚Das macht neunundzwanzig Euro, nehmen Sie es so, oder möchten sie es gerupft?‘

Richtig schwierig wird es bei Lebewesen, die einem Geschädigten auch emotional nahestehen. Katze und Hund sind da an erster Stelle zu nennen.

Wie man der Presse entnehmen kann, hat nun vor kurzem der ehemalige Vizekanzler, Finanzminister und Vorsitzende einer nicht ganz ohne sein Zutun zur Kleinpartei geschrumpften FDP den Hund eines Filmproduzenten totgefahren, dem wir TV-Perlen wie ‚Verbotene Liebe‘ verdanken.

Auf die Frage, wie denn das tragische Versehen am Ort des Geschehens menschlich geregelt wurde, soll der ehemalige Vizekanzler geäußert haben, man habe Kontaktdaten ausgetauscht, der Halter des Hundes habe sich ihm aber nicht vorgestellt.

So unhöflich können heutzutage Menschen sein, denen der Hund gerade totgefahren wurde.

UdM      

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