TYRANNEI DER EMOTIONEN

Sportwettkämpfe und große Gefühle sind keine einfache Sache. Spätesten seit dem Ende des Nationalsozialismus begegnete man dem großen Gefühl, dem Pathos in der Rede, allem, was nach Blut, Schweiss und Tränen roch, mit Skepsis und Ablehnung. Ratio, Sachlichkeit, der schwarze Rollkragenpullover regierten zumindest im Bereich der Kunst und Kultur. Das sportliche Ereignis büxte schon früh wieder aus. Deutschlands Sieg in der Fußballweltmeisterschaft 1954 war Balsam für die geschundene deutsche Seele. Der legendäre Live-Kommentar vom Endspiel ist zum historischen Allgemeingut geworden, frei von starker Emotionalisierung ist er nicht.

Bei der Berichterstattung über die diesjährige Olympiade in Frankeich fällt auf, wie sehr es nicht in erster Linie um den Sport, das Training, die Taktik oder die langjährige Qual des Körpers geht, sondern um die Gefühle der SportlerInnen vor, beim und nach dem Wettkampf. 

Keine Reportage, kein Interview ohne das Herauskitzeln der ungeheuren emotionalen Bedeutung des Sieges oder der Niederlage. Die Sportler selbst sprechen von überwältigenden Momenten des Sieges, der phantastischen emotionalen Kulisse im Hintergrund, der Rührung bei der Nationalhymne. Kein Satz, in dem es nicht um „unfassbare“ und „unbeschreibliche“ Momente geht. Immer wieder wird unnachgiebig nachgefragt, was der Moment mit den Sportlern „gemacht“ hat, warum die Tränen flossen, wie es der Ex-Freundin des Goldmedaillengewinners erging, als sie noch nicht wußte, dass sie ebenfalls eine Medaille erschwimmen würde. In einem Insert wurde die Olympiateilnehmerin tatsächlich als Exfreundin vorgestellt, als handele es sich um eine Berufsbezeichnung. Ein Wettstreit der Tränen aus Freude oder Enttäuschung, die Berichterstattung legt nahe, dass die starken Emotionen die Bedeutung des sportlichen Wettkampfs autorisieren. Reporter und Kommentatoren, die nicht richtig im Wettstreit der Emotionen mitspielen, sind offensichtlich fehl am Platze: nach der  Abschlußveranstaltung wurde ein ZDF-Kommentator kritisiert, weil er angeblich zu  wenig emotional anläßlich dieser überwältigenden Gala in Paris geblieben sei. 

Beitrag von G.H.

SCHWUCHTELEI

Der Papst ist nicht unfehlbar. Auch ihm rutschen gelegentlich Formulierungen raus, die seine Pressestelle nicht autorisiert , zumindest aber dementiert hätte. Bei einem privaten Treffen mit italienischen Bischöfen soll er ein Schimpfwort für Homosexuelle gebraucht haben. Es ging wohl um die Aufnahme offen homosexueller Männer in katholische Priesterseminare. Der heilige Vater soll gesagt haben, die Seminare seien schon voll genug mit „frociaggine“. Sie seien ihm zu „schwuchtelig“.

Jetzt könnten sich die katholische und der Rest der Welt darüber aufregen, dass der Papst sich offiziell liberal gebe, indem er queere Menschen akzeptiere, gleichgeschlechtlichen Beziehungen den Segen nicht verweigere, privat aber kein Schwulenfreund sei.

Auch Päpste lernen nur langsam (manchmal gar nicht) mit der Zeit zu gehen. Manchmal sagen sie, was sie denken. So wie es bei ausgewiesen liberalen, weltoffenen, gebildeten Golfspielern vorkommt, dass sie einen zu kurz geratenen Putt als „schwuchtelig“ bezeichnen.

H.R.

HOKUS POKUS FIDIBUS

Dreimal schwarzer Kater. Schwarze Katze in diesem Fall. Diese Katze nämlich soll das Rathaus im niederländischen Dokkum unter Wasser gesetzt haben. Und das kam, wie der dortige Heimatsender berichtet, so: Die Katze störte bei Renovierungsarbeiten des genannten Rathauses, weshalb man, weil man ihrer nicht habhaft werden konnte, die Renovierungsarbeiten unterbrach, wohl in der Hoffnung, die Katze würde das Gebäude dann verlassen. Was aber tat die Katze? Vermutlich verärgert über das abrupte Ende des amüsanten Katz-und-Handwerkerspiels drehte sie einen Wasserhahn auf, flutete das Gebäude und verursachte einen Schaden von 325 000 Euro. Soweit die Erklärung der Dokkumer.

Ich habe die Sache mit Hektor, dem Riesenschnauzer von Grömelings im dritten Stock erörtert. Hektor kennt sich mit Katzen aus (er jagt die Katzen von Rebmanns und Huflands aus dem Gartenhaus), und er reagierte skeptisch. Katzen seien bekanntlich wasserscheu. Eher wahrscheinlich sei es also, dass die Katze den Wasserhahn zugedreht habe, den jemand anders aufgedreht haben müsse.

Dies als kleine Hand – sorry, Pfotenreichung für die zur Schadensregulierung herangezogene Versicherung.

UdM  

SCHWIERIGE FRAGE

A  Fragende

B  Weiser

A : Sage uns, o Weiser, wenn ein Mensch durch ein Unglück ums Leben kommt, müssen wir ihn dann nicht betrauern?

B: Das solltet ihr.

A: Wenn der Verunglückte nun aber ein Folterer war, ein Menschenschlächter, einer, der seine Mitmenschen Tag und Nacht mit dem Tode bedrohte, einer dessen Tod nun von den Tag und Nacht Bedrohten bejubelt wird?

B: Dann dürft ihr in den Jubel der Bedrohten einstimmen.

A: Wenn der Verunglückte nun aber ein Staatsmann war, der Präsident eines Staates?

B: Dann verlangen die Regeln der Diplomatie, seinen Tod zu betrauern, sofern mit dem Staat des verunglückten Präsidenten diplomatische Beziehungen bestehen.

A: Wenn der Verunglückte nun aber nicht durch Volkes Wille, sondern durch eine Scheinwahl an der Macht war?

B: Dann frage ich euch, warum sollte jemand diplomatische Beziehungen mit einem Staat pflegen, dessen Präsident ein durch eine Scheinwahl an die Macht gekommener Folterer und Menschenschlächter war, einer, der seine Mitmenschen Tag und Nacht mit dem Tod bedrohte und dessen Tod nun von den Bedrohten bejubelt wird?

A: Wir hofften, o Weiser, auf Antwort, stattdessen stellst Du uns eine schwierige Frage. 

UdM

WO DIE LIEBE HINFÄLLT

Wenn man in den ersten schönen Frühlingstagen in die öffentlichen Grünanlagen der Städte geht, so trifft man auf viele Hunde und deren BesitzerInnen. Auch noch nach dem Ende der coronabedingten Ausgangsbeschränkungen sieht man deutlich mehr Hunde als früher. Nicht alle in der Coronazeit erworbenen Tiere sind offenbar mittlerweile in überfüllten Tierheimen gelandet. In diesen Frühlingstagen fallen mir im städtischen Grün zwei Dinge vermehrt auf: Hundebesitzer tragen unter der Uhr oder einem  Armband ein locker geschwungenes rotes Plastikband, das sich beim näheren Hinschauen als das herausstellt, was man auf norddeutsch Schietbüdel nennt. 

Zum anderen scheint sich die Vorliebe hinsichtlich favorisierter Hunderassen verändert zu haben. Starke große Männer führen keinen Kampfhund mehr, sondern muskelbepackte  Riesen tragen zärtlich ein kleines Hündchen vor sich her, das nur ausnahmsweise auf dem Boden abgesetzt wird. Je größer der Mensch, desto kleiner der Hund. Woher kommt diese Liebe der Großen zu den Kleinen? Niemand weiß nichts genaues. Ist es die Sehnsucht in harten Zeiten nach etwas niedlichem und flauschigem? Auf jeden Fall hat man im städtischen Grün etwas zu gucken.

Ein Gastbeitrag von G.H.

ARD-DEUTSCH

Die Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands hat Neuerungen verkündet. Damit auch der letzte Haushalt merkt, wie fortschrittlich diese Neuerungen sind, werden sie nicht in nur „einfacher“, sondern auch in „up-to-date“ Sprache vorgestellt.

Künftig gibt es eine „Tech-Unit“, für den Hörfunk „Pool-Lösungen“, bei Verbrauchersendungen „Kompetenzcenter“ und das alles wird selbstverständlich sehr bald „gelauncht“.

Great job, CEO-Work-Unit. Keep up the good work! May the Duden be with you!

H.R.

KONTROLLE

Ein Freund steht mit seinem Enkel auf dem Bahnsteig des Kölner Hauptbahnhofes. Sie warten auf eine Verwandte. Da fragt der Opa den Enkel: Sag mal, wüßtest Du denn, wenn wir uns verlieren würden, wie Du allein nach Hause kommst und kennst Du Deine eigene Adresse? Brav sagt der Enkel auf, wo er wohnt. Da spricht meinen Freund eine resolute ältere Dame an und sagt, ich habe gehört, dass sie das Kind nach seiner Adresse gefragt haben. Kennen Sie das Kind, was wollen sie von dem Kind? Der Freund sagt zu seinem Enkel: Sag der Dame mal, wer ich bin. Der Junge überlegt kurz und wispert eingeschüchtert und leise: Das ist mein Opa! Die Dame geht mit unbewegter Miene weiter. Mein Freund fragt sich, was passiert wäre, wenn der Enkel, wie so oft, keine Lust gehabt hätte, auf Fragen eines Erwachsenen zu antworten.

Ein Gastbeitrag von G.H.

TAGESSCHAU

Die TAGESSCHAU soll nach dem Willen des Chefredakteurs „sprechsprachlicher“ werden: „Wir wollen die Nachrichten so texten, wie man sie seinen Nachbarn am Gartenzaun oder der Familie beim Abendessen erzählen würde.“

Mein Nachbar spricht häufig mit mir über die neuesten Nachrichten. Das geht dann ungefähr so: „Die spinnen wirklich in Berlin. Statt über diesen Quatsch mit der Taurus zu streiten, sollten sie lieber mal erklären, wie das mit den Dauerstreiks weitergehen soll. Und dieses Demokratieförderungsgesetz. Wofür gibt es die Bundeszentrale für politische Bildung? Immer neue Behörden die Geld kosten und nichts tun. Ich hab die Schnauze voll.“

Wahrscheinlich hat der Chefredakteur der TAGESSCHAU andere Nachbarn, aber „auf Augenhöhe“ wird das zumindest bei meinem Gartenzaunnachbarn schwierig. Da hilft auch eine neues Studiodesign nicht, wozu mein Nachbar sagen würde:“ Na, klar. Die ARD hat es ja! Schmeißen wieder ein paar Millionen an Gebühren für Schnickschnack aus dem Fenster! Alles Mist.“

H.R.

JEDE MENGE PHON

Hunde hassen Silvester, weil sie die lauten Böller fürchten. Die Lautstärke versetzt sie aufgrund ihrer empfindlichen Hörorgane in Angst und Schrecken, manche verkriechen sich tagelang unter einem Sofa. Wir wissen, dass bei Menschen Verkehrslärm, Baulärm, laute Musik zu gesundheitlichen Schäden an Körper und Psyche führt. Dennoch steht das Leise in unserer Gesellschaft, die Relevanz durch größtmögliche Aufmerksamkeit definiert, nicht hoch im Kurs. Wir müssen laut sein im Kampf für das Klima, wir müssen laut sein gegen Rechts, etc. Erfolg scheint es nur dort zu geben, wo man lauter und wütender ist als andere, die es zu übertönen gilt. Meine Mutter sagte: „Wer schreit, hat Unrecht.“
Hat ein gutes Argument, leise vorgetragen, eine wichtige, aber unspektakulär ausgeführte Handlung keinen Wert? Kann das falsche und laut vorgetragene Argument nur durch das noch lauterere richtige Argument widerlegt werden?
Ich war als Jugendlicher Rowdy in einer Rockband. Die Zuhörer beschwerten sich ständig, dass die Band zu laut spiele und man zu wenig von der Musik höre. Die Bandmitglieder nahmen sich deshalb bei jedem neuen Auftritt vor, leiser zu spielen. Kaum ging es los, sagte der Bassmann, dass man ihn nun nicht mehr höre und drehte den Verstärker weiter auf, dann der Sänger, dann der Gitarrist uns so weiter, bis letztlich die Verstärker aller Musiker bis zum Anschlag aufgedreht waren.

Ein Gastbeitrag von G.H.