Lieber Hansjürgen,
wagen wir einen Blick in die Zukunft. In die von Dina. Sie gehört einer Rasse an, die als sehr gelehrig gilt. So drängt sich die Frage auf: Werdet Ihr Dinas Fähigkeiten nutzen, sie Kunststücke zu lehren? Emma kann gar keine Kunststücke. Wir haben aber auch nie versucht, ihr welche beizubringen. Emma kann, wenn man sie nett bittet, die üblichen Hundedinger wie, Sitz, Platz, warte, komm und geh. Unsere Tochter hatte ihr mal beigebracht, ‚Pfötchen’ zu geben, hatte dann aber gemerkt, dass das Pfötchen häufig recht dreckig war, und verzichtet seitdem auf diese von Emma beherrschte, aber nicht wirklich als Kunststück zu bezeichnende Fähigkeit.
Vor ein paar Tagen habe ich von einem Hund gelesen, der angeblich Skateboard fahren konnte. Natürlich in den USA, genauer in Santa Monica, CA in der Nähe von Hollywood, das sagt ja schon einiges. Nie wäre es mir in den Sinn gekommen, Emma Skateboardfahren beizubringen, um dann vielleicht als Lachnummer hinter ihr her zu wetzen, wenn sie alte Damen oder Herrn umzufahren droht.
Ein anderer Hundebesitzer, nicht aus Hollywood, sondern aus dem nicht näher bezeichneten Berliner Umland soll versucht haben, seinem Hund den ‚Deutschen Gruß’ beizubringen. Nun wissen wir, dass es einem gesunden Hund nicht schwer fällt, die rechte Pfote über die Horizontale zu heben. Im Sitzen. Jener Hundebesitzer wollte aber, dass sein Hund beim Spazierengehen, etwa vor dem Büro einer demokratischen Partei oder vor einer Synagoge oder einer Moschee kurz innehält und die rechte Pfote stramm nach oben streckt, ohne sich dabei zu setzen. Das ist nicht gelungen: Der Hund kippte regelmäßig um.
Allerdings soll es einem Dresdener Züchter gelungen sein, einem seiner Schäferhunde das Kunststück beizubringen. Seltsamerweise gelingt es dem Hund nur an Montagen.
Nun fällt mir doch noch ein Kunststück ein, das wir Emma aber gar nicht beigebracht haben, sondern sie sich selbst. Eines noch frühen Tages in ihrem Hundeleben, Emma brauchte da schon keine Leine mehr, sondern trottete brav neben einem her, stupste sie mit der Schnauze gegen die Hand, die für eventuelle Notfälle die zusammengelegte Leine trug. Zunächst dachten wir, Emma wolle an die Leine. Das war aber nicht der Fall; Emma wollte die Leine tragen. Seit wir das verstanden hatten, nimmt Emma auf den letzten hundert Metern vor unserer Haustür die Hundeleine in der Schnauze. Den meisten Passanten nötigt das ein Schmunzeln ab, manchen sogar anerkennende Blicke, weil sie wohl meinen, Emmas Schnauzennummer sei das Ergebnis einer aufwändigen Dressur. Vor kurzem, plapperte eine aufgeweckte Dreijährige aus ihrem Buggy heraus: Sieh mal Oma, der Hund trägt seine Liane im Mund. Ich fand das im ersten Augenblick putzig, dann aber durchlief mich ein Schreck: Auch wenn ‚Liane’ nur ein kindlicher Versprecher war, angenommen, ein Unzeitgenosse hätte das gehört, einer wie der, der unseren Kollegen Schümann, ebenfalls Hundebesitzer, zu Boden gestoßen hat, weil der einen flüchtlingsfreundlichen Artikel geschrieben hatte, was hätte mir da geschehen können? Kennen solche Leute, meist mit prekärer Biografie, den Unterschied zwischen Leine und Liane? Könnte so jemand bei Liane nicht denken, Emma sei ein Flüchtlingshund aus einer tropischen Gegend. Und ich als Begleiter ebenfalls?
Ich habe mir dann aber jede Furchtreaktion verboten. Man muss in diesen Tagen aufpassen, dass man sich nicht einschüchtern lässt.
Zurück zum Anfang: Werdet Ihr Dina Kunststücke beibringen, oder abwarten, bis sie Euch mit eigenen Vorschlägen überrascht?
Herzlich Dein Ulrich