Wie man liest und zum Teil auch sehen kann, scheinen die coronabesorgten Hamsterkäufer/innen besonders den Mangel an Toilettenpapier und Dosenananas zu fürchten. Beides muss mit einem historischen Reflex zu tun haben, nämlich der Erinnerung an Nachkriegszeiten in denen beides, also Toilettenpapier und Dosenananas zu den Raritäten des Alltags gehörten. Das ist umso erstaunlicher, als nur noch eine geringe Zahl von Zeitzeugen der toilettenpapierarmen Epoche unter den Hamsterern am Leben sein dürfte. Die Erfahrung des Mangels muss also auf lebendige Weise an folgende Generationen weitergegeben worden sein.
Für potenzielle Hamsterer, die weder in der Nachkriegszeit das Problem des befriedigenden Abschlusses eines Toilettenaufenthalts hatten, noch eine kompetente und glaubwürdige Oma oder einen solchen Opa, eine knappe Schilderung der toilettenpapierlosen Zeit: Wer kein anderes Papier zur Hand hatte, griff zur Tageszeitung. Aus einer Doppelseite ließen sich sechzehn Blätter, entsprechend etwa der heute üblichen Größe eines Toilettenpapiers schneiden oder reißen. Diese handlichen Blätter wurden auf ein sehr sinnreiches an der WC-Wand befestigtes Drahtgestell an einer ihrer Ecken aufgespießt und konnten bei Bedarf mühelos abgerissen werden.
Beliebt waren Stücke mit wenig Text, also wenig Druckerschwärze, besonders unbeliebt solche mit Bildern, also mit viel Druckerschwärze, letzteres nicht bei systemkritischen Bürgern der ehemaligen DDR, wenn es sich um die üblicherweise täglich dort abgebildeten Mitglieder des Zentralkommitees besser noch des Staatsratsvorsitzenden handelte, eine recht sichere Methode, seiner politischen Meinung gefahrlos Ausdruck zu verleihen.
Sollte es tatsächlich einmal zu Engpässen beim Toilettenpapier kommen, ist die Umstellung auf Zeitungspapier sehr einfach wieder zu beleben. Vielleicht werden die dazu benötigten Drahtaufhängungen demnächst bei der erfolgreichen Sendung ‚Bares für Rares’ angeboten.
Nun zu etwas weniger Drückendem: Dosenananas. Es ist kein Geheimnis, dass die Vereinigten Staaten die Welt bis heute, also auch unter ihrem Chefverkäufer Trump, als großen Absatzmarkt verstehen. So kam, noch ehe das Nachkriegsland wieder ausreichend mit Toilettenpapier versorgt war, das Dosenobst in die Regale der Lebensmittelgeschäfte (für die Jüngeren: Vorläufer des Supermarkts).
Die Zeichen des Fortschritts in Sachen Kochkunst bei beschränktem Angebot erkannte als einer der ersten der Fernsehkoch Clemens Wilmenrod, der den verbliebenen Zeitzeugen noch in Erinnerung sein dürfte. Wilmenrod erfand den ‚Toast Hawai’. Er schuf in einer nie wieder erreichten Verbreitung die Synthese von vorhandenen Lebensmitteln mit einem Sehnsuchtsort.
Hier für alle Hamsterer und solche, die es noch nicht sind, das Rezept: Man nehme eine Scheibe getoastetes Weißbrot, bestreiche sie mit Butter (damals auch Sanella), lege eine quadratische Scheibe abgepackten Schmelzkäse darauf, hierauf eine Scheibe Dosenananas, in das Loch der Ananasscheibe eine Maraschinokirsche. Fertig.
Wer diese so einfach und schnell herzustellende Köstlichkeit genossen hat, macht sich für eine gute Weile über den obigen Teil dieser Ausführungen keine Gedanken und nimmt vielleicht sogar Abstand von unnötigen Hamsterkäufen.
UdM 04.03.20