Hundetagebuch 34

Lieber Hansjürgen,

Dein Bericht über die Reise mit Mika hat uns ermutigt, bei unser nächsten Reise zur Restfamilie in Hamburg Emma nicht ins Hundehotel zu geben, sondern sie mitzunehmen. Allerdings werden wir kaum so ideale Bedingungen antreffen wie Ihr. Ein Hundetrainerkongress im Hotel ist ja beinahe so etwas wir sechs Richtige mit Zusatzzahl.

Wir haben lediglich noch nicht entschieden, ob wir mit dem Auto fahren oder mit der Bahn. Unsere Töchter bevorzugen die Bahn, weil sie aus unerfindlichen Gründen die dort erhältlichen pappigen Sandwiches lieben. Das Argument, man könne so schlechte Sandwiches sicher auch irgendwo anders kaufen und mit auf die Autofahrt nehmen, zieht nicht. Ich würde aus verschiedenen Gründen lieber mit dem Auto fahren. Erstens gönne der Bahn den horrenden Hundefahrpreis nicht, weil Emma zweitens für das viele Geld selbst in der 1. Klasse, wo ich regelmäßig mit den Füßen mit gegenüber sitzender Reisender in Konflikt gerate, oder mir das Knie an den scharfkantigen Abfallbehältnissen stoße, nicht einmal einen vernünftigen Liegeplatz hätte, und ich mir drittens die feindseligen Blicke der allgegenwärtigen Notebook-Sklaven ersparen möchte, wenn Emma an ihren schwarzen Pilotenkoffern schnuppert. Wobei es mir eigentlich Spaß machen würde, wenn ich Emma, wie ein Kleinkind, mit einem ‚Aus !, Emma, der Onkel muss arbeiten !‘ zur Ordnung rufen könnte.

Das Auto hätte auch den Vorteil selbstbestimmter Pausen, obwohl die nach Euren Erfahrungen offensichtlich gar nicht so häufig eingelegt werden müssen, wie in den Hundefachbüchern angedroht.

Ich hatte da sowieso meine Zweifel, weil ein lieber Freund, der mir mit seinem Labrador ein zuverlässiger Informant ist, berichtet, dass seine Bella auch stundenlange Schlafwagenfahrten problemlos übersteht. ( Was nun aber keineswegs ein Argument für eine Tag – Bahnfahrt ist, denn im Schlafwagen hat der Hund vor dem Bett einen angemessenen Ruheraum, was auch den Fahrpreis rechtfertigt. )

Da ich ziemlich entschieden bin, das Auto zu benutzen, halte ich seit längerem Ausschau nach schlechten Sandwiches.

Die Autofahrt wäre mir auch deshalb lieber, weil Emma seit einiger Zeit deutlich macht, wann sie die Wohnung verlassen möchte, was sie hoffentlich auch im Auto täte. Nicht immer heißt das allerdings, dass sie ‚ablegen’ will. Manchmal möchte sie auch bloß raus, narrt uns, indem sie sich vor die Wohnungstür legt und fiept. Wenn wir dann eilig die Straße mit ihr erreicht haben, kann es geschehen, dass sie lediglich eine ausgedehnte Schnüffeltour unternimmt, ohne etwas abzulegen. Wenn einen das aus einer für wichtiger gehaltenen Tätigkeit reißt, ist es mit Sympathieverlust für den Hund verbunden.

Im Allgemeinen sind ihre Ansagen aber ernst gemeint. Emma ist jetzt stubenrein. Das heißt, wir haben den Hund nunmehr so genau beobachtet, dass wir wissen, wann er raus muss. Richtiger wäre es also zu sagen : Wir sind stubenrein geworden.

G. ist etwas skeptischer. Sie meint, stubenrein sei Emma für sie erst, wenn wir unsere welpenverpinkelten Teppiche getrost in die Reinigung geben können.

Emma beginnt nun auch anzuschlagen, wenn sie ihrer Einschätzung nach bedrohliche Individuen nicht nur, wie in der Uckermark, durch die Glastür sieht, sondern in der Berliner Etagenwohnung nur durch die Tür hört.

Sie bellt zwar mit schöner, tiefer Stimme, aber als sie noch nur stumm und aufmerksam gelauscht hat, war es mir lieber. Ja, ja, -Hunde bellen nun mal.

Außerdem zeigt Emma Mitgefühl. Wenn es Streit gibt – auch bei einer sonst recht kultivierten Familie nicht immer vermeidbar – verläßt sie den Raum.

Wenn ein Kind em Alter entsprechend und kummerbedingt hin und wieder weint, wird mit Ankuscheln und einer bemerkenswert zarten Pfote getröstet.

Überhaupt wird Emma anschmiegsamer. Ihre Freude, wenn wir morgens endlich aufstehen, kann man unbändig nennen. Dabei hat sie ein feines Gefühl dafür entwickelt, ob ein Aufsetzen oder gar das Bett verlassen nur eine Schlafunterbrechung ist, oder endgültig. Sie kommt dann mit ihren Vorderpfoten aufs Bett, und genießt die ihr zuteil werdenden Liebkosungen.

Ja, auch wir nähern uns dem Zustand starker emotionaler Bindung.

Vielleicht werde ich mich eines Tages zu der Erklärung versteigen ‚Ich liebe diesen Hund.‘

Das kann allerdings für den Hund gefährlich werden, wie ich unlängst mit stockendem Herzschlag in der, wie es scheint von ZDF – Knoop und den Vertriebenenverbänden genehmigten, ARD – TV-Jahrhundertproduktion ‚Die Flucht‘ mitansehen musste. (Es war eine Wiederholung).

Nachdem ich erfahren hatte, dass alle Sympathieträger doppelt gelitten haben: Einmal, weil sie ihren unbändigen inneren Widerstand gegen die Nazidiktatur wg. Lebensgefahr nicht äußern konnten, und dann, weil sie, obwohl gut und adelig, auch noch ihre Heimat verlassen mussten, wurde mir nicht erspart, was mit edlen Jagdhunden geschieht, denen der gute Graf ein Leben im Bolschewismus ersparen will: Sie bekommen erst ordentlich zu fressen, und dann gibt der gute Graf ihnen, bevor er sich selbst entleibt, die Kugel. (Obwohl das gute Fleisch, in den Mägen der hungrigen Flüchtlinge besser aufgehoben gewesen wäre. Aber das ist vermutlich ein kleinkarierter bürgerlicher Einwand. )

Andererseits: Was für ein schönes Bild wäre es gewesen, wenn der kühlen Gräfin, – nachdem sie sich von ihrem französischen Fremdarbeiter auf frühlingsgrüner Aue mit einer gemessenen Umarmung und angedeutetem Kuss verabschiedet hatte und sich auf anmutigem Feldweg in eine schöne Nachkriegszukunft begab, – wenn ihr da die beiden prächtigen Jagdhunde hinterhergesprungen wären ! Hätten sie nicht den Heldentod sterben müssen.

Diese Jagdhunde waren äußerst gut erzogen, was man von Emma noch nicht sagen kann. Befehlen kommt sie nur ungern und nach Wiederholungen nach.

G. wurde unlängst auf offener Straße von einer Passantin gerügt, weil diese der Meinung war, Emma müsse in eine Hundeschule, G. sei offensichtlich unfähig, den Hund zu bändigen. Nun wußte diese Frau weder, ob Emma nicht hundeschulmäßig gebändigt wird, noch konnte sie beurteilen, ob G. nicht eine Hundelehrerein ist, die gerade erzieht. Aber so sind die Berliner. Erstmal einmischen. Mir passieren solche Zurechtweisungen nicht, entweder, weil sich die Leute nicht an mich rantrauen, oder weil sie Mitleid mit mir haben.

Heute morgen hatte G. noch so eine Berliner Begegnung: Emma entwischte ihr, lief auf den Fahrdamm und widersetzte sich allen Rückkehrkommandos. Zwei Straßenarbeiter beobachteten G.s Bemühungen, den Hund aus der Gefahrenzone zu locken. Einer rief ihr laut zu : Wie alt solla denn wer‘n ?

Während der andere ergänzte : Wie wär’t mit Hundeleine !?

Für heute Dein Ulrich

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