Zunächst die gute Nachricht: Michelle Hunziker lässt sich diesmal Heiligabend von einem Koch helfen. Das darf man hier ruhig mal so ausplaudern, denn Frau Hunziker hat es der Presse verraten, und die hat es gedruckt.
Nun die schlechte: Fürchtegott Bussinger muss noch vor Heiligabend einfahren. In Plötzensee, eine Berliner Strafanstalt. Fürchtegott hat sich die Sache selbst eingebrockt: Er ist Schwarzfahrer. So einer von den Unbelehrbaren. Eigentlich kann man schon nach dreimal ertapptem Schwarzfahren im Knast landen aber Bussinger hat es übertrieben. Es half ihm vor Gericht nicht auf seinen Nachnamen hinzuweisen, der ihn zu einer Art Ehrenbusmitfahrer machen müsste, auch nicht auf seinen Vornamen, für den er nichts kann, der aber immer wieder Anlass zu Hänseleien gibt. Schon in der Schule war das so. Häufig so bedrohlich, dass Fürchtegott sein Heil nur noch in der Flucht in ein öffentliches Verkehrsmittel suchen konnte, ohne gültigen Fahrschein natürlich. Denn wer löst schon einen Fahrschein, wenn er verfolgt wird. So hat seinerzeit überhaupt die Schwarzfahrerkarriere von Bussinger begonnen. Das wollten die Richterinnen und Richter heute aber nicht mehr wissen.
Fürchtegotts einziger Trost: Er ist im Gefängnis nicht allein. Von allen Häftlingen Plötzensees sind ein Drittel Schwarzfahrer, vielleicht mit ähnlichen Schicksalen wie Bussinger. Für ein Drittel aller Häftlinge ist Plötzensee also Endstation! Das ist ein schöner Erfolg für die Berliner Verkehrsbetriebe, die sich sonst von Fahrpreiserhöhung zu Fahrpreiserhöhung vor dem Bankrott retten müssen.
Da fehlt natürlich andererseits so manche Zelle für verurteilte Intensivtäter, die nun frei herum laufen müssen. Wer allerdings so denkt, übersieht, dass Schwarzfahrer durch ihr wirtschaftskriminelles Verhalten die Gesamtbevölkerung schädigen, während ein Intensivtäter immer nur Einen oder Zwei verprügelt.
Die Schwarzfahrer können übrigens so erfreulich schnell eingebuchtet werden, weil ihre Straftat eindeutig ist. Schwarzfahrt ist eben Schwarzfahrt. Ebenso eindeutig ist es wenn zum Beispiel eine ältere Dame in Reizwäsche durch einen Pfarrgarten tobt. In Arnsberg ist das geschehen, wo eine 72-jährige Stalkerin nicht einsehen mag, dass der dortige katholische Pfarrer ihre Zuneigung schon rein kirchenrechtlich nicht erwidern kann. Jetzt gerade ist die Frau zwar freigesprochen worden, aber sie war auch schon mal verurteilt und musste ein Jahr lang brummen. Auch hier war die Sache eindeutig: In Reizwäsche durch einen katholischen Pfarrgarten, so was geht eben nicht.
Ganz anders ist es da bei einem Brandenburger Neo-Nazi, der oberhalb seines ausladenden Neo-Nazi-Gesäßes ein ebenso ausladendes Tattoo mit einer gelungenen Abbildung des KZs Auschwitz trägt, darunter den Schriftzug JEDEM DAS SEINE. Man weiß nicht, was der Nazi beabsichtigte, als er seinen Hautschmuck in einem öffentlichen Spaßbad zur Schau stellte. Wollte er nur seine Gesinnung erläutern? Nach dem Motto ’Man darf sich doch wohl noch seine eigene Meinung eintätowieren lassen’. Wollte er für die Wiedereinführung von KZs werben? Wollte er Reklame laufen für seinen erstklassigen Tattoo-Stecher? Das wird sich vielleicht klären, wenn noch vor Weihnachten ein Verfahren in dieser Sache beginnt. Eines ist jedenfalls jetzt schon klar: Die Angelegenheit ist längst nicht so einfach, wie Schwarzfahren oder in Reizwäsche durch einen Pfarrgarten tändeln. Ein guter Nazi-Anwalt – und der Nazi soll einen solchen haben – wird zum Beispiel herausarbeiten, dass über dem KZ Auschwitz der Schriftzug ARBEIT MACHT FREI steht. JEDEM DAS SEINE gehört hingegen zum KZ Buchenwald. Ein KZ wie der Nazi es auf der Haut trägt, gibt es also gar nicht, bzw. hat es nie gegeben. Und kann man jemanden für etwas verurteilen, das es nie gegeben hat? Ob der Anwalt so argumentieren wird, ist hier reine Spekulation, nur eine Überlegung, die deutlich machen soll, wie schwer es ist, einen Neo-Nazi zu verurteilen im Gegensatz zu Schwarzfahrern oder alten Damen, die in Pfarrer verliebt sind.
Fürchtegott Bussinger und die vielen einsitzenden Schwarzfahrer wird dies alles nicht trösten. Ihre Straftaten waren eindeutig. Deshalb sitzten sie, während der Neo-Nazi als Mandatsträger der NPD im Barnimer Kreistag tätig ist.
Vielleicht könnte Frau Hunziker ihren Koch nach Heiligabend für ein paar Stunden nach Plötzensee abstellen: Für so viele Schwarzfahrer würde sich das schon lohnen und es wäre die schöne Geste einer schönen Frau, was dann wieder eine Pressemeldung wert wäre. Und sollte der Neo-Nazi bis dahin doch noch hinzu kommen, könnte der hin und wieder seine Anstaltsjacke oberhalb seines Neo-Nazi-Gesäßes lüpfen und man würde dann lesen: JEDEM DAS SEINE. Aber ob es wohl dazu kommt? Der Mann ist schließlich kein Schwarzfahrer.
UdM