MÜLLER ODER WAS?

Ich verlasse eben ziemlich missmutig das Haus, weil ich mir das ganze Desaster um den Diesel noch mal mit der Morgenzeitung reingezogen habe, denke, jetzt fehlt mir nur noch mein Freund Dan Krause um das Ganze ein weiteres Mal aufzurühren, da wird in meinem Rücken auch schon mein Name gerufen: Dan hat mich erwischt. Und was ist seine erste Frage?
– Was hältst du vom Dieselgipfel.


– Was heißt Gipfel? Hügel meinst du. Bodenwelle. Das war doch kein Gipfel. Es war allerdings die Höhe! Da stehen drei Industriemillionäre, drei überführte Schadstoffstrolche und sind auch noch beleidigt, dass man sie erwischt hat.
– Zu Recht. Beleidigt meine ich.
Ich sehe Dan ungläubig an.
– Diese Herren haben einen Grund beleidigt zu sein?
– Na hör mal! Man hat ihnen schließlich Industrieversagen vorgeworfen.
– Und ist es das nicht?
– Also, jetzt nimm doch mal die Emotion raus. Betrachte es ganz nüchtern. Da kommen plötzlich Grenzwerte auf, bei denen die Ingenieure zum Chef sagen: Herr Müller, das wird teuer. Technisch machbar, aber teuer. Wie teuer, fragt Müller. Naja, sagen die Ingenieure: Wir brauchen einen großen Tank für dieses AdBlue zum Entgiften, dazu noch Technik – so Tausend bis Tausendfünfhundert Euro pro Fahrzeug. Nachdem sie das gesagt haben, rennen sie schnell weg, weil sie ahnen, dass Müller jetzt sehr wütend wird. Das wird er auch, aber dann holt er sie zurück und fragt, was geht noch? Was ist billiger? Viel billiger, bitte!
– Entschuldige, Dan, warst du dabei?
– Natürlich nicht. Ich stell mir das vor. Die Ingenieure sagen nun, es gibt da was, aber dazu brauchen wir einen Elektronikhardwareentwickler, Bosch zum Beispiel, der müsste uns die Hardware liefern und da spielen wir eine Software drauf und mit der wirkt unser Diesel dann ganz sauber. Den Rest kannst du ja. – Ich meine, dass kann man doch nicht Industrieversagen nennen? Diese komplizierte Hardware! Die raffinierte Software! Und alle anderen Dieselleute übernehmen das und es funktioniert! Weil sie es selber prüfen und den Politikern sagen: Alles paletti, unsere Diesel sind jetzt sauber. Da haben hunderte von Menschen dran gearbeitet um einen solchen perfekten Betrug hinzukriegen. Überleg mal, was dazu alles manipuliert werden musste. Das schafft nur eine ganz ausgefeilte Industrie gemeinsam mit den Behörden. Da kann man doch nicht von Industrieversagen sprechen!
– Und wenn die Amerikaner ihnen nicht drauf gekommen wären, würde es heute noch funktionieren.
– Ja, das war so sicher nicht geplant. Sie wollten selbst drauf kommen.
– Wie? Selbst drauf kommen?
– Sie wollten es selbst entlarven und dabei ehrlich aussehen.
– Dan, du läufst mal wieder zur Hochform auf! Sie wollten es selbst entlarven? Und für Fünf Millionen Dieselautos die Software nachrüsten? Millionen in den Sand setzen? Absichtlich?
– Du musst bedenken, was eine echte Nachrüstung kosten würde. Außerdem drücken sie das Softwareupdate vermutlich ganz oder teilweise ihren Werkstätten auf. Und nun denk bitte an den psychologischen Gewinn!
– Welchen Gewinn?
Kennst du nicht dieses Hochgefühl, wenn du deinen Wagen aus der Werkstatt abholst? Er fühlt sich an wie ein neues Auto, selbst, wenn bloß die Scheibenwischer repariert sind. Und nun stell dir vor: Die Dieselautobesitzer kommen mit ihren upgedateten Wagen aus der Werkstatt. Dieses millionenfache Gefühl: Ich habe ganz umsonst einen sauberen Neuwagen. Diese Dankbarkeit! Und es hat die Müllers und Zetsches und all die anderen fast keinen Cent gekostet. Das ist brillant! Mit einem Taschenspielertrick kaufen sie sich von allen Sünden frei. So was Dreistes hat es seit Tetzels Ablassbauchladen vor fünfhundert Jahren nicht mehr gegeben. Wir sind im Lutherjahr. Damals hatte es allerdings Folgen.

UdM

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