MUTTER COURAGE

Wenn manche Bürger den Eindruck hatten, das politische Leben habe wegen schwieriger Regierungsbildung stillgestanden ist ihnen entgangen, dass trotz fehlender ministerieller Weisungsmacht Wichtiges vorbereitet wurde.

So hat man im Familienministerium die Zeit nicht mit dem Ersinnen neuer Gesellschaftsspiele für Groß und Klein vertrödelt, sondern sich an einen wirklich großen Klops rangewagt: Unsere Nationalhymne.

An der ist der Gleichstellungsbeauftragten ein hässlicher Makel aufgefallen, der bisher bewusst oder fahrlässig übersehen wurde: Das patriarchalische und männliche Übergewicht in der ersten Strophe. Es ist da vom Vater und Bruder die Rede. Genauer: Vaterland und brüderlich.

Wenn man ein wenig ausholt, erkennt man bald, dass das ganze Elend in ferne, mythische Zeiten zurückreicht. In die antiken Götterwelten nämlich, familiär aufgestellt, mit einem Vater als Oberhaupt: Jupiter, Zeus, Thor und so weiter.

Dem wurde auch im Monotheismus nicht abgeholfen. Es blieb männlich.

Dieses Ungleichgewicht gegenüber dem Weiblichen zieht sich seither durch Kultur und Zivilisation. Dagegen rumort es schon lange aber erst in jüngster Zeit wird mutig auf den Missstand aufmerksam gemacht, etwa im Protest gegen ein patriarchalisches, wenn nicht gar machistisches Gedicht, das es, lange Zeit unbemerkt, übergroß auf die Giebelwand einer Berliner Akademie geschafft hat.

Nun also die Nationalhymne. Das SPD-geführte Familienministerium schlägt Heimatland statt Vaterland vor, couragiert statt brüderlich.

Heimat ist ein schöner Begriff. Das sieht auch die CSU so, warum sonst hätte sie für das neue Kabinett ein Heimatministerium erfunden. Ob dem bodenständigen Impetus, der dieser Neuerung innewohnt allerdings das Fremdwort couragiert angemessen wäre, das sollte man Horst Seehofer fragen, ehe man da Nägel mit Köpfen macht.

Überhaupt könnte man ja mal zum Nachbarn blicken, nach Frankreich, wo das Problem des Vaterlands schon lange gelöst wurde, bevor der umtriebige Macron sich seiner annehmen musste. Dort benutzt man das Oxymoron ‚Mère Patrie’ fürs Vaterland: ‚Mutter Vaterland’ also. Nun wird man hier einwenden, so etwas können die Franzosen sich vielleicht leisten. Die dortigen Philosophen zum Beispiel haben sich ja auch die wunderlichsten Sachen ausgedacht. Beim Versuch zu erklären, was denn Menschsein eigentlich ausmacht etwa den Satz: ‚Cogito ergo sum’, zu deutsch ‚Ich denke, also bin ich.’

Dass man sich mit solchen Überlegungen im Familienministerium, zumal in Zeiten der Regierungslosigkeit nicht beschäftigen mochte, ist verständlich.

Ehe nun die Umschreibung der Nationalhymne Wirklichkeit wird, könnte die Gleichstellungsbeauftragte den Genossen im Rahmen der inneren Erneuerung erst einmal Änderungen in Texten vorschlagen, zu denen andere Parteien nichts zu sagen haben: Couragierte, zur Sonne zur Freiheit…

 

UdM

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