Als ich als Vierter in der Warteschlange in den Obst- und Gemüseladen vorgelassen werde, wird gerade eine Metalloberfläche zur Warenablage aus einer durchsichtigen Plastikflasche besprüht und abgewischt. Er habe in Berlin kein Desinfektionsspray bekommen und es sich deshalb aus der Türkei schicken lassen, berichtet der Händler. Das Produkt heiße, von Eau de Cologne abgeleitet, Kolonia, Betonung auf dem zweiten o, achtzig Prozent Alkohol erklärt er mit einem gewissen Stolz, und seine Benutzung sei in der Türkei etwas alltägliches. So sei es zum Beispiel zu Zeiten, in denen es vor den vornehmen Istanbuler Restaurants noch Türsteher gab, üblich gewesen, den Gästen vor Betreten des Lokals Kolonia anzubieten. Den Worten folgt die Demonstration: Mein Obst- und Gemüsehändler verwandelt sich in einen Istanbuler Restauranttürsteher. Er nimmt eine leicht gebeugte Haltung ein, lächelt mich überaus einladend an und fragt ‚Kolonia?’ Ich spiele mit, halte ihm meine Hände hin, sie werden mit Kolonia eingesprüht.
Nach Einkauf und Verlassen des Ladens schnuppere ich an meinen Händen. Ich könnte mir vorstellen, dass die vornehme Istanbuler Gesellschaft auf das Kolonia-Angebot des Türstehers vor dem Restaurantbesuch eher verzichtet hat.
Aber seien wir in Zeiten von Corona nicht wählerisch und einem freundlichen Angebot gegenüber nicht unhöflich: Es kommt nicht drauf an wie es riecht, sondern dass es hilft.
UdM 25.03.20