Hundetagebuch 5

Lieber Ulrich,

Du scheinst zumindest die erste Phase der Familienerweiterung eher als Beobachter überstanden zu haben, was nach landläufiger Meinung für Autoren gegenüber dem allgemein (manchmal auch gemein) tobenden Leben ohnehin zu gelten scheint. Hättest Du nämlich nicht entspannt auf dem Sofa gesessen, Tee getrunken und auf die Ereignisse gewartet, die sich Dir nähern würden, sondern ein Auge auf den offenbar frei laufenden Hund – pardon: auf die süße kleine Emma – geworfen, wäre der Maulwurf noch am Leben!

Andererseits eröffnet das Jagdverhalten Emmas ganz neue Möglichkeiten auch für unsere Gartenpflege in der Prignitz, falls es genetisch auch bei Emmas Schwester angelegt sein sollte. Da bei uns keine weinenden, an ihrer Seele Schaden nehmenden Kinder zu befürchten sind, muss ich nur D. vor dem Anblick erlegter Maulwürfe schützen. Für unsere Katzen wiederum könnte die Bildung einer Jagdgemeinschaft mit Mika Anlass sein, ihre Meinung über übelriechende, bellende Lebewesen zu überdenken.

Unser Leben hat sich, noch bevor der Hund im Haus ist, dramatisch verändert. Alle Zukunftsentscheidungen werden vor dem Hintergrund der Frage: „Und was machen wir mit dem Hund?“ überprüft, diskutiert, revidiert. Über Theaterbesuche denken wir zur Zeit gar nicht nach, die Weihnachtsreise zu unseren Familien in Hessen haben wir mit der Begründung abgesagt, eine so strapaziöse Tour könnten wir dem kleinen Hund nun wirklich nicht zumuten. Hotels werden jetzt, je nach dem ob sie Hunde erlauben oder nicht, neu beurteilt. (Solltest Du mit Hund nach Dresden fahren wollen, wo wir am Samstag bei der Premiere von Walter Sittlers Kästner-Abend waren, so empfehle ich das Hotel Bellevue. Allerdings kostet Emma dann 30 Euro pro Nacht. Ob das Frühstücksbüffet inbegriffen ist, haben wir erst einmal nicht erfragt.)

Gestern waren wir dann zum verspäteten Thanksgiving-Truthahn bei Freunden, hatten auf Grund der Zusammensetzung der Gäste Schlimmes für den Verlauf des Abends befürchtet, wurden aber aufs Schönste überrascht, nachdem es uns gelungen war, die Rede auf den Hund zu bringen.

Mein früherer Intendantenkollege Horst berichtete z.B. von seinem schwarzen Pudel, der ihm in den Augen der Pariser Frauen auf dem Wochenmarkt eine besondere Note der Eleganz verliehen habe. Seine Frau steuerte die Episode bei, in der er im Innenhof einer vornehmen Siedlung ein Gartenstück als Auslauf einzäunte, dabei aber nicht berücksichtigt hatte, dass Hunde springen können. Der Pudel sprang, rannte mehrere französische Kinder um, fraß anschließend in der Küche die Butter von Tisch und kotzte (Gibt es dafür eigentlich auch einen politisch korrekten Begriff wie „ablegen“?) zum Abschluss ins marmorne Treppenhaus.

Was uns aber trotz aller bevorstehender oder schon eingetretener Beschwernisse beruhigen und erfreuen sollte: alle Anwesenden hatten letztlich Tränen der freudigen Erinnerung in den Augen, selbst diejenigen, die nur vorübergehend die Hunde befreundeter Familien aufgenommen hatten.

In vier Tagen ist es soweit, bis dahin bleibt noch ausreichend Zeit zu planen, zu grübeln und – wie unser Hundesitter geraten hatte – das hundelose Leben zu genießen, was immer schwerer fällt, da die Vorfreude und Ungeduld von Stunde zu Stunde wächst. Weihnachten ist nichts dagegen!

Wau, Dein Hansjürgen

P.S.

Danke für die Futterhinweise, habe ich was die Errechnung der richtigen Menge und die richtige Sorte betrifft nicht ganz verstanden, aber ich frage mal D.

P.P.S.

Wir haben übrigens auch eine rote Leine!

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