Hundetagebuch 6

Lieber Hansjürgen,

die dritte Nacht ist überstanden. Nachdem Emma in der zweiten sehr unruhig war, in der Wohnung hin und her lief, bis sie einen ihr angenehmen Platz zum Ruhen gefunden hatte, uns aber mit einem herzzerreißenden, jaulenden Bellen aus dem Schlaf riß ( vermutlich hat sie schlecht geträumt oder ist sich selbst in einem unserer großen bis an den Boden reichenden Spiegel begegnet ), verlief die letzte Nacht ruhiger. Mal abgesehen davon, dass Emma mich, immer wenn ich wieder eingeschlafen war, mit ihrer kühlen Schnauze auffordernd an die ihr jeweils nächstliegend Hand stubste, ohne mir mehr zu vermitteln als vielleicht den Wunsch, das Licht anzumachen und ein bißchen zu spielen.

Aus dieser Beschreibung schließt Du zu Recht, dass Emma mich inzwischen in die Familie aufgenommen hat, und dass sie bei uns im Schlafzimmer übernachtet.

G. hat versprochen, dass das eine Übergangslösung ist. Ihre bewundernde Erwähnung von Maria Sommer ( Kiepenheuer Verlag ), die mit ihrem Schäferhundwelpen ein Jahr lang ! im Büro auf einer Matratze genächtigt hat, läßt mich allerdings vermuten, dass der Übergang ein längerer sein könnte.

Jedenfalls schlafen die Kinder nun wieder ruhiger, was besonders für Hannah wichtig ist, die von ihren ehrgeizigen Eltern aufs Graue Kloster geschickt wurde, eine Lehranstalt, die in jeder Hinsicht ausgeschlafene Zöglinge fordert.

Kommen wir zum ästhetisch weniger Anregenden. Du sprichst ja mit unverstellter Offenheit das Kotzen an. Ablegen ist natürlich eleganter, ändert aber am Vorgang als solchem nichts. Bei Emma haben wir ihn bisher nur einmal beobachtet, ohne das Abgelegte identifizieren zu können. Höflicher Weise geschah es auf der Straße.

Diese wohl ungewollte Rücksicht nimmt Emma bei Lösen noch nicht. Obwohl G. ( hier werde ich noch geschont ) zu sehr früher Stunde mit Emma auf die Straße geht ( heute auch in unseren sogenannten Hinterhofgarten – ein Stück vernachlässigten Charlottenburger Bodens – ), löst Emma dort günstigstenfalls die Blase. Für den größeren Teil ihre Verdauungsreste ( du spürst, wie ich mich verbal winde ) benutzt sie leider unseren schönsten Teppich.

Trotz genauer und lückenloser Beobachtung, dieses zu verhindern, gelingt ihr immer wieder schnelles Handeln.

Der Tierarzt, bei dem wir heute morgen zum Impfen waren, tröstete. Das sei normal für einen Hund dieses Alters. Er empfahl, den Teppich einzurollen und für die nächsten Wochen an sicherer Stelle zu lagern. Außerdem solle man, wenn der Hund sich in die eindeutige Stellung hocke, blitzschnell eine Zeitung parat haben, die man listig von Mal zu Mal immer weiter in Richtung Wohnungstür bewege, um dem Hund die Richtung zu signalisieren, in die man seine Verrichtung in Zukunft wünscht.

Hat in einem der schlauen Bücher so etwas gestanden ? Du wirst es wissen, ich habe sie nur überflogen.

Ich darf mich nicht beklagen, denn meine im Tagebucheintrag vom 17. gemachte seinerzeit recht lockere Einlassung, ich würde die Dinge auf mich zukommen lassen und kreativen Lösungen zuführen, müßte nun heißen, die Losungen kommen auf uns zu und wir müssen verdammt kreativ sein, um die Perser zu retten.

Der Besuch beim Tierarzt, den ich sehr fürchtete, weil ich mich an schreckliche Schilderungen verängstigter Hunde erinnere, die regelrecht ausrasten, wenn sie nur in die Nähe der Tierarztpraxis kommen, hat sich als harmlos erwiesen. Emma nahm die Untersuchung des Weißkittels sehr gelassen, beinahe gelangweilt hin. Die Impfung scheint sie nicht einmal bemerkt zu haben. Eine Wurmtablette wurde in die Schnauze geschoben, eine Zecke mit einer Spezialzange entfernt, die uns als Geschenk überreicht wurde, bei einer Endsumme von EUR 68,- , cash zu begleichen, nicht unangemessen.

Emma wurde gute Gesundheit bescheinigt, was dann wohl auch für Mika zutreffen wird. Der Hund gefiel dem Tierarzt deutlich. Er tippt darauf, dass in unseren Tieren an genetisch günstiger Stelle ein Hovawart stecken müßte, vorzügliches Erbgut.

Uns wurde eine Wandtabelle mit zirka hundert Rassen gezeigt, von denen mindestens dreißig irgendwie Ähnlichkeit mit Emma und Mika haben. Aber sei’s drum: Hovawart. Das sind Hunde, die mir schon früher gefielen.

Vielen Dank für Deine lebendige Schilderung des dann doch deutlich vergnüglichen Truthahnessens und den guten Rat. Bisher habe ich Gesprächswendungen mitunter erfolgreich durch Zitieren von Kindermund erreicht. Hund ist eine willkommene Erweiterung. ( Dass Herr Schättle allerdings einen Pudel benötigte, um die Pariser Damenwelt hinzureißen, wundert mich. Der Mann war doch, als er noch Bildschirmpräsenz hatte, auch ohne Hund recht ansehnlich. )

All die Überlegungen wie Reisen, Urlaube, Besuche, wie das Leben überhaupt zukünftig zu gestalten ist, haben auch wir schon versucht, in seiner ganzen Dimension auszuloten. Ich bin beruhigt, dass ich in Dir jemanden gefunden habe, mit dem ich mich darüber austauschen kann und grüße Dich für heute, am Tage minus zwei vor Mika mit einem kräftigen Wau.

Ulrich.

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