Dies wird das Jahr der Schwarzen Null

Eigentlich klingt ‚Schwarze Null’ ein bisschen traurig. Warum nicht eine grüne Null? Grün wie die immergrüne Tanne. Oder gelb. Gelb wie die Osterglocken. Violett wie ein Tulpenfeld, blau wie ein strahlender Sommerhimmel, rot wie…

Und da wird sehr schnell deutlich, dass das mit den farbigen Nullen nicht geht. Es geht nicht wegen der Parteienfarbenlehre. Bei einer grünen Null könnte man vermuten, dass sie das Werk einer Partei sei, die in der Opposition zur finanzpolitischen Untätigkeit verdammt ist, Violett schimpft zu diesem Thema nur vor sich hin, Gelb ist von der parlamentarischen Bühne verschwunden und Blau hat es nicht auf dieselbe geschafft.

Bleibt rot. Rot ist zwar irgendwie an der Schwarzen Null still duldend beteiligt, aber eine rote Null geht dennoch nicht. Jeder weiß, dass Rote Zahlen etwas Negatives bedeuten. Zwar ist streng mathematisch eine Null eine Null, gleich in welcher Farbe sie auftaucht, aber eine rote Null würde doch den Eindruck erwecken, als sei man gerade so mit Ach und Krach aus den Roten Zahlen gekommen. Und weil das tatsächlich so sein wird, muss die Null, um da gar keinen Verdacht aufkommen zu lassen, schwarz sein. Außerdem möchte der Urheber der Schwarzen Null das Verdienst um diese Null auch farblich eindeutig seiner Partei zugeordnet wissen.

Die Schwarze Null steht für einen ausgeglichenen Haushalt.

Der ausgeglichene Haushalt hat etwas mit Bilanzbuchhaltung zu tun. Manche kennen das von ganzseitigen Zeitungsanzeigen in denen Banken, Versicherungen, Konzerne und andere Garanten unseres Wohlstands ihre Ergebnisse veröffentlichen. Das Ganze besteht aus zwei nebeneinander angeordneten Zahlenkolonnen, an deren Ende links und rechts unter einem dicken Strich, wie durch Zauberhand, die selbe Zahl steht, im Ergebnis also eine Schwarze Null. Obwohl man von manchen dieser Institutionen weiß, dass sie bis über die Ohren verschuldet sind. Man nennt das doppelte Buchführung. Die beiden magischen Begriffe, die dieses Nullsummenwunder möglich machen heißen Aktiva und Passiva.

Die doppelte Buchführung, die begrifflich für den Normalbürger immer etwas anrüchig klingt, verdanken wir einem Land, dass von der Schwarzen Null ungefähr so weit entfernt ist, wie, sagen wir, Nordkorea von der Demokratie: Italien.

Dort, in Florenz wurde unter den Medici die doppelte Buchführung ersonnen.

Einer der besonders gut damit umzugehen wusste war Cosimo I., der mit der Haushaltsschlamperei Schluss machte und dem Finanzwesen einen gewaltigen Gebäudekomplex errichten ließ, den kunstbeflissene Touristen gemeinhin für eine genuine Gemäldegalerie halten: Die Uffizien. Dort saßen nämlich, bevor die Wände mit ernsten Heiligen dekoriert wurden, Finanzbeamte, die mit heiligen Ernst Steuern erhoben, mit denen Cosimo zwar selten die Schwarze Null schaffte, aber manche blutigrote Kriege finanzierte, die man nun in einigen Uffiziensälen, neben den Heiligen, in Öl verherrlicht bewundern kann.

Zurück nach Deutschland. Zur deutschen Null. Wenn man sie so ganz ohne Farbgebung betrachtet, ist die Null umgangssprachliches auch ein despektierliches Synonym für einen wenig erfolgreichen Menschen. Hat sich eigentlich schon mal jemand Gedanken darüber gemacht, wie in diesem Zusammenhang eine schwarze Null missverstanden werden kann? Gesetzt den Fall, ein besonders bösartiges, dem Präsidenten feindselig gesonnenes Mitglied der Tea-Party-Republikaner, vielleicht mit deutschen Wurzeln, erkennt den invektiven Charakter einer schwarzen Null!

Sollte man hier nicht jenen Besorgten zuvorkommen, die unsere Sprache unermüdlich nach diskriminierenden Doppeldeutigkeiten durchforsten, und die Null umbenennen? Es böte sich an: ‚Jene Zahl, die dafür steht, dass man am Ende nichts mehr hat’. Das klingt zugegeben etwas umständlich und jakobinisch ( wir erinnern uns, zu jener Zeit nannte man Gott ‚Jenes höhere Wesen, das verehrt wird’).

Aber es würde den Sachverhalt doch korrekt beschreiben.

Denn was ist ein ausgeglichener Haushalt? Steuern, Wohnung, Wasser, Gas, Strom, Überlebensmittel, ein kleiner Urlaub sind bezahlt, aber darüber hinaus gibt es nichts. Kein Geld für eine Gartengrillpartie, keines für den Jahresbeitrag der Muckibude, kein drittes Eis auf Mallorca: Kinder! Wir haben einen ausgeglichenen Haushalt!

Das klingt so traurig, wie die Schwarze Null eben traurig klingt? Nun, ja.

Letzte Woche war ich bei regnerischem Wetter mit dem Auto auf einer bundesdeutschen Landstraße unterwegs. Plötzlich gab es ein sehr hässliches metallisch dumpfes Geräusch, der Wagen rumpelte und blieb nach heftigem Abbremsen seltsam schief stehen. Eine gebrochene Achse? Ein abgerissener Auspuff? Ein zerfetzter Reifen? Ich schoss besorgt vom Fahrersitz, umlief das Fahrzeug und sah, dass ich lediglich mit einem Hinterrad in einem Fahrbahnloch steckte.

Als ich mich wieder aufrichtete und die Straße genauer betrachtete, fiel mir auf, dass der Asphalt mit sehr vielen weiteren, ovalen und runden Löchern übersät war, in denen schwarz glänzendes Regenwasser stand. Ich kniff die Augen ein wenig zusammen, und es brauchte gar nicht viel Fantasie um zu sagen: Diese Straße ist voller großer Schwarzer Nullen. Da verstand ich viel besser, was die Schwarze Null mit Infrastruktur zu tun hat, wovon die Grünen, Gelben, Violetten, Blauen und – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – der eine oder andere Rote ja ständig reden.

Und der Winter hat noch nicht mal richtig begonnen.

udm

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