Lieber Hansjürgen,
zwei Tagebucheintragungen gilt es zu beantworten, bevor ich mich wieder der Schilderung eigenen Erlebens mit Emma widmen werde.
Fangen wir mit dem an, was recht eigentlich Grundlage unseres Gedankenaustauschs überhaupt ist: Geschriebene Sprache und mit ihr die Rechtschreibung. Mein Rechtschreibprogramm entstand noch vor der Reform. Das hat, wie Du dir denken kannst viel Rot im Schriftbild zur Folge. Ich versuche das, wie auch den erzieherischen Werdegang von Emma, locker zu nehmen. H.’s Deutschlehrerin erklärte mir anlässlich einer vor kurzem stattgehabten Weihnachtsfeier ( hierdurch vielleicht milde gestimmt ), das menschliche Gehirn habe große Schwierigkeiten, bei kreativem Schreiben gleichzeitig Orthographie zu denken. Leider wendet die Deutschlehrerin diese Erkenntnis nicht bei der Benotung von H.’s Aufsätzen an. Ich jedenfalls kann sie ( die Erkenntnis ) nur aus jahrelanger Erfahrung bestätigen.
Goethe, sagt man, habe das Befolgen von Rechtschreibregeln als kreativitätshemmend ausdrücklich abgelehnt und diese Tätigkeit zur Aufgabe von Sekretären erklärt. Hier fühle ich mich ganz eins mit Goethen – nur mangelt‘s mir am Sekretäre. Und an einen eigenen Eckermann ist schon gar nicht zu denken.
Vielleicht könnte man hier aber auch mit der von Dir in anderem Zusammenhang angeführten Herstellung gleicher Lebensverhältnisse argumentieren: Warum überhaupt Rechtschreibung ? Wann und von wem wurde sie eingeführt ? Wieder mal Bismarck anlässlich der Reichsgründung ?!
Sollte nicht jedes Bundesland seine eigenen Rechtschreibung haben dürfen, ebenso wie sein eigenes Anti – Nichtrauchergesetz ?
Nun zum Hund. Deine Schilderungen des Hundesicherungsgurts und seiner Anwendung finde ich äußerst amüsant. Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas gibt, habe mir aber, als Emma auf der Fahrt aus der Uckermark nach Berlin zwischen den Mädchen auf der Rückbank saß, mulmige Gedanken über ihr Flugverhalten im Falle eines Crashs oder einer Notbremsung gemacht. Alles verlief aber erfreulich problemlos. Jetzt kommt Emma in den Kofferraum des Kombis, der mit einem Netz zum Fahrgastraum gesichert ist. Ob wir uns damit schon lege canis verhalten, weiß ich nicht. Jedenfalls begibt sich Emma nach anfänglicher Weigerung inzwischen klaglos auf die mit einer Decke gepolsterte Ladefläche und schläft während der Fahrt dort auch.
Das Ausgraben von Topfpflanzen hat auch bei Emma zu den ersten, wenig Freude bringenden Übungen gehört. Da streng ermahnt, lässt sie es inzwischen. Sie geht, wie Mika in Eurem Garten, diesem wohl natürlichen Bedürfnis inzwischen in unserem Hinterhofgarten nach. G. glaubt, sie sei dort Gängen von Ratten auf der Spur. Mag sein. Ich hoffe, sie findet keine.
Unser Besuch bei Euch zunächst aus Hundehaltersicht: Wir können stolz sein auf Mika und Emma.
Leider hast Du unsere Ankunft nicht miterlebt. Mika saß statuengleich auf dem Treppenabsatz vor Eurer Haustür. Emma weigerte sich, das Grundstück überhaupt zu betreten. Ich war beeindruckt: Mika verteidigt bereits ihren Hof. Emma respektiert das. Auf das Wiedererkennen der Schwestern habe ich ohnehin nicht gehofft. Und selbst wenn: Wer weiß, ob sie sich im Neunerverband in der Stinkekiste bei Muttern überhaupt gemocht haben ? Es wäre ja nicht das erste Mal, dass Geschwister sich herzlich spinnefeind sind.
Wie wir nun wissen, war es nicht so. Ob wiedererkannt oder nicht, beide haben sich prächtig verstanden, haben Lust und welpisches Zerstörungswerk einverständlich potenziert, sich überhaupt so verhalten, wie man es von zwei tollen tollenden Hunden erwartet. Wiederholung ist wünschenswert. Da wir in der Stadt keinen Garten anbieten können, vielleicht auf dem halben Weg zwischen Vorort und Charlottenburg am Grunewaldsee. – Natürlich erst, wenn Du das Transportproblem im Griff hast, woran ich, nach Deinen von Erfindungsreichtum zeugenden Schilderungen nicht zweifle.
D., der Du offensichtlich hundehalterisch bereits eine gewisse Gelassenheit voraus hast, beschrieb, wie Mika Dich beim Laubharken kreisförmig umraste. Sie sieht darin, meiner Meinung nach zu Recht, Hütehundverhalten.
Für heute schließe ich mit einer Frage : Können unsere Hunde übelnehmen ( Nach aktueller Rechtschreibung ‚Übel nehmen‘ ? ) ? Bitte teile mir Deine Einschätzung bald mit. Hier liege ich mit G. im Streit. Ich verrate allerdings noch nicht, welche Auffassung ich vertrete. Bitte befrage auch D., damit wir einige Probleme endlich auch in der Vierergruppe ausdiskutieren können.
Mir ist klar, dass ich mit dieser Frage eine Tür aufstoße, gegen die unser bisheriger Austausch von Informationen einer Hühnerklappe gleicht. Denn mit dieser Frage verbindet sich ja nicht mehr und nicht weniger als die : Können Hunde denken ?
Gibt es einen Hunde – Descartes ? ( Vielleicht Konrad Lorenz ? )
Dein Ulrich