Hundetagebuch 17

Lieber Ulrich,

es ist kurz nach 19:00 Uhr und es herrscht beschauliche, geradezu vorweihnachtliche Ruhe. Unser Kater Tom hat sein Refugium auf dem Heizungskessel im Keller verlassen und wartet bei mir im Arbeitszimmer im 1. Stock, dass ich mich endlich in den Lesesessel setzt, damit er auf meinem Bauch trampeln kann. Unsere Katze Lucy hat, nach ausgiebigem Schlaf auf unserem weit von allen Hunden entfernten Bett, ihren abendlichen Gang durch die Gemeinde begonnen.

Und was ist mit Mika, höre ich Dich fragen: sie liegt völlig kaputt im Windfang auf der Fußmatte, den Kopf auf einem zum Pfötchenabwischen genutzen Handtuch und auf meinen Schuhen gebettet. Von 17:00 bis 18:30 Uhr hatten wir wieder Hundetraining, von dem Jacek behauptet, es sei für den Hund anstrengender als für mich. Ich behaupte das Gegenteil, zumindest fühle ich mich so. Es ist eine eigenartige Mischung aus Tanzstunde, Skischule und Golfunterricht. Jedenfalls war ich außerordentlich beeindruckt von der schnellen Lernfähigkeit unseres Hündchens, was das Warten an der Bordsteinkante betrifft, wenn sich der Mensch von ihr entfernt.

Auch wenn sich die Wissenschaft permanent weiterentwickelt, alte Hypothesen widerlegt, neue zu widerlegende Theorien präsentiert, die Erinnerung an meine Dissertation über „Bertolt Brecht und der Behaviorismus“, kommt mir ausgesprochen zu Gute. Stimulus und Reflex, Tadeln und Loben, Leckerli und fester Leinenruck – so läuft das. Natürlich in erster Linie beim Hundetrainer, und ich versuche es ihm so gut ich kann nachzumachen, was schon daran scheitert, dass ich zu vergleichbaren Begeisterungsausbrüchen über gelungene Aktionen auf offener Strasse nicht (noch nicht?) fähig bin.

Jetzt weiß ich aber wenigstens, was Jacek meinte, als er zu Beginn sagte, ich müsse mich bei der Hundeerziehung gelegentlich zum Affen machen.

Nun zu Deiner Frage, ob Hunde „übel nehmen können“: Im Prinzip ja, aber nicht so lange. Da ähneln sie eher uns Männern, die wir ja auch längst vergessen haben, worum es bei dem Streit mit unseren Frauen eigentlich ging, während diese noch tief in der Kontroverse gefangen sind. Was mich zu ihrer, von Dir angemahnten Würdigung der besonderen Leistungen, bringt. Mit geradezu bewundernswerter Disziplin ist D. morgens im Dunkeln auf den Beinen, um dem Hund Gelegenheit für seinen Morgenspaziergang und die erste „Lage“ zu geben. Da sie in der kurzen Tageslichtperiode im Büro sein muss, ist es natürlich wieder dunkel, wenn die „Abendlage“ ansteht. Gestern waren wir schon im ersten Tiefschlaf, als uns ein ungewöhnliches Gefiepe auf die Dringlichkeit einer weiteren Verrichtung aufmerksam machte. Scheinheilig habe ich angeboten, es doch angesichts der weiblichen Doppelbelastung, einmal zu übernehmen, was aber erwartungsgemäß abgelehnt wurde.

Was Deine Mitleid erregenden Schilderungen der Zustände auf Berliner Straßen betrifft, so könnte ich Dir jetzt einen Umzug nach Suburbia empfehlen, was aber Eurem Lebensgefühl kaum entspräche, außerdem zusätzliche Belastungen als Transportunternehmen für schulpflichtige Kinder mit sich bringen und den Besuch von Kneipen, Restaurants, Kinos, Theatern zumindest erschweren würde. Obwohl: angesichts der geschilderten Ablegeaktion von Emma könntest Du demnächst hier und da Hausverbot angedroht bekommen. Kleinmachnow ist auf jeden Fall weniger Papiertaschentücher verseucht, dafür sind die meisten Gehwege ungepflastert, was bei der derzeitigen Feuchtigkeit Hund und Mensch zu reinen Schmutzfängern und ins Haus Überträgern macht. Über die Reaktionen der Mitmenschen, außer unseren hundebegeisterten Nachbarn, kann ich wenig berichten, da ich meist im Dunkeln unterwegs bin. Da sind es dann eher die Hundebesitzer, deren Reaktionen zwischen Lässigkeit, agressiver Ängstlichkeit und der herablassenden Freundlichkeit des erfahrenen Hundeführers angesiedelt werden können.

Ein Wort noch zum Kochen: Hier wird nicht „für“ den Hund gekocht. So weit kommt es noch! Es wird unter besonderer Berücksichtigung des Hundeorganismus für den Hund „mit-gekocht“. Gestern z.B. Brokkoli. Allerdings behauptet D., nur deswegen hätte sie zu nächtlicher Stunde (siehe oben) noch einmal in den Garten gemusst, bzw. der Hund in den Garten und sie mit.

D. behauptet übrigens, ich sei schon „ganz verliebt“ in Mika. Das weise ich zurück, aber dass ich sie durchaus liebevoll „Schlappohr“ nenne, gebe ich freiwillig zu. Was machst Du am Samstag den 23. Dezember? Weihnachtsgeschenke kaufen? Dazwischen mit unseren Hunden ein Glas Rotwein auf die Feiertage trinken? Mika muss dringend mal mit der S-Bahn fahren…

Wau!

Hansjürgen

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