Lieber Ulrich,
Mika ist krank und – sie ist natürlich selbst daran schuld. Bist Du sicher, dass wir nicht in dem fehlgeleiteten Glauben verharren, es handle sich bei unseren Vierbeinern um gutmütige Hütehunde? Vergangenen Sonntag jedenfalls, als D. mit Mika um den Schlachtensee lief, zu ihrer und des Hundes Freude ohne Leine, stürzte sich Mika zuerst auf ein paar am Ufer lagernde Enten und dann ins kalte Wasser. Dass sie von der Temperatur des Sees geschockt, Enten Enten sein ließ und sofort wieder das Wasser verließ, ist noch kein ausreichender Beweis dafür, dass ihr Jagdinstinkt nicht langsam stärker wird.
Da sich der Zwischenfall genau auf der Mitte des Rundweges ereignete, hatte Mika beim Erreichen des Autos Eiszapfen im Fell und zitterte. Wie wir wissen, sollen junge Hunde im ersten Jahr möglichst nicht gebadet werden, da sie noch sehr kälteempfindlich sind. Aber natürlich steht nirgendwo in all den Büchern, was das richtige Verhalten ist, wenn der Junghund das Bad selbständig nimmt oder gar erzwingt.
Sollte der verantwortungsbewusste Tierhalter ständig ein Handtuch mitführen, eine wärmende Decke, einen batteriebetriebenen Föhn? Müsste die Fürsorge u.U. so weit gehen, dass der den Spaziergang ohne Leine veranlassende Mensch einen Teil seiner Kleidung ablegt und sie dem Hund zur Verfügung stellt? Wäre gar eine Teilung des Mantels im Stile des heiligen St. Martin zu erwägen? Sollte das nasse Tier zumindest eingewickelt und an den wärmenden menschlichen Körper gepresst ins Trockene gebracht werden?
Mika wurde zum dritten Mal in ihrem Leben trocken geföhnt (bei den ersten beiden Malen hatte sie sich in Schlammpfützen gewälzt) und gebürstet, was sie nach leichten Protesten über sich ergehen ließ. Beim Nachmittagsspaziergang war sie wieder munter, Wassernähe wurde tunlichst vermieden, dafür stürzte sie sich dann auf herumliegende Pferdeäpfel und bevor eingegriffen werden konnte, hatte sie einen verschlungen. Seitdem hat sie Durchfall und liegt schwach auf ihrer Decke.
Den im Ratgeber „Unser Haustier ist krank“ empfohlenen geriebenen Apfel (kennen wir ja auch aus der Humanmedizin) verweigert sie. Hüttenkäse nimmt sie nur per Handfütterung in Miniportionen, Haferschleim findet sie ebenso eklig wie die meisten damit traktierten Kinder (und Erwachsenen, es sei denn man nennt das Zeug „porridge“). Eure Hundebetreuerin, bei der ja neben Emma auch Mika ab und zu unterkommt, riet von Trockenfutter ab und wollte ihr gekochten Reis verabreichen. Ich bin gespannt, mit welcher Stuhlkonsistenz unser Hündchen heute Abend zurückkehrt.
Wenn ich schon bei den Ausscheidungen bin: seit wir Mika frei laufen lassen können, hat sie die Fixierung auf das Ablegen nur im eigenen Territorium aufgegeben. Und wenn die Verrichtung auf freiem Feld oder im Wald stattfindet, erübrigt sich auch der Griff zum Sammeltütchen, der inzwischen schon zur Routine geworden ist. So wie sich in allen möglichen Taschen – und manchmal völlig unerwartet – Tütchen oder Leckerli befinden. D. hat bei „Fressnapf“ jetzt die richtigen schwarzen, vermutlich vom TÜV geprüften, Hundekotsammeltütchen gekauft, so dass wir nicht länger in Drogeriemärkten die zur Verpackung großzügig angebotenen Tütchen in größeren Mengen, aber immer mit einem leicht schlechten Gewissen, mitgehen lassen müssen.
Wovon Mika nun wirklich krank ist oder war, wissen wir natürlich nicht, zumal eine tiererfahrene Freundin uns erklärt hat, Pferdemist sei völlig unschädlich für Hunde, ja geradezu verdauungsfördernd, da es sich ja nur um verdautes Gras handle.
Unsere Katzen jedenfalls fanden den geschwächten, nahezu lethargischen Hund eher angenehm, da ihnen wieder normale Verkehrswege durchs Haus zur Verfügung standen, sie also nicht ständig Umleitungen über Balkon, Terrassendach und Kellerfenster in Kauf nehmen müssen, um den Spielattacken zu entgehen. Es scheint sich aber ohnehin ein leichte Normalisierung der Beziehungen anzubahnen, zumindest reden wir uns das ein.
Während der Berlinale hatte ich weitgehend Hundefrei, um mit Hilfe meines Presseausweises ungestört so viele Filme anzuschauen, wie ich wollte oder ertragen konnte. Leider hielt mich ein schmerzender Rücken von allzu exzessivem Filmgenuss ab. Ob die Beschwerden durch einseitiges Ziehen und Zerren einer gewissen Hundedame verursacht oder mit verursacht wurden, wird noch geklärt. Jedenfalls wird hier und da durchaus davor gewarnt, die Belastungen durch Junghunde zu unterschätzen. So sind wir beide die letzten Tage gesundheitlich angeschlagen gewesen und weder bei Mika noch bei mir ist geklärt, woran es nun wirklich lag. Aber das verbindet natürlich auch wieder!
Wau!
Dein Hansjürgen