Lieber Hansjürgen,
Emma liegt hinter meinem Bürostuhl und tröpfelt. Das tut sie nun schon seit über einer Woche, mal mehr, mal weniger. Es sieht nicht schön aus auf dem beigen Teppichboden, der dem Vermieter gehört. G., in deren Büro es auch viele rötliche Flecken gibt – auch im Korridor und im Sekretariat ihrer Kanzlei – behauptet, man könne das alles mit einer chemischen Flüssigkeit und der Bereitschaft auf den Knien zu rutschen ‚wegrubbeln‘. Die Ergebnisse erster Versuche lassen mich zweifeln. Ich sehe neue Teppichböden auf unsere Rechnung. In der Wohnung haben wir hauptsächlich Parkett, das uns gehört, was das Problem minimiert. Die weißen Wollteppiche sind wegen der Folgen der stubenunreinen Welpenzeit sowieso noch professionell reinigungsbedürftig.
Und fast möchte ich aufschreien: Wo waren die entsprechenden Hinweise in der Hundeliteratur, die ich zwar nicht gelesen, aber doch von Dir in ihren Essentials mitgeteilt bekommen habe ?! Hast Du mir da etwas verschwiegen ?! Oder unterschlagen diese Bücher ein Problem, gegen das alles andere, was angedroht wurde, zu vernachlässigende Kleinigkeiten sind ? Hinzu kommt die von Dir bereits beschriebene Weigerung der Hundeführer, sich mit einer läufigen Hündin abzugeben. Und das ohne Mitleid. Frau Sadlo hat uns außerordentlich kühl abgebügelt: Das sei’s nun erstmal für drei Wochen.
Nun sind wir, wie vermutlich auch ihr, hilfe-los auf die Hündin geworfen. Warum haben wir keinen Rüden gewählt, habe ich G. gefragt. Einen Erwin, der nicht tröpfelt. Die Antwort war verschwommen, ließ sich aber etwa so deuten: Ein Mann im Haus reicht mir.
Genug geseufzt. Mitgefühl ist gefordert. Emma weiß mit ihrem Zustand deutlich nichts anzufangen. Sie liegt – tröpfelnd – oft apathisch in der Ecke. Wahrscheinlich fehlt ihr der Auslauf, den sie nur an den Wochenenden in Sternhagen hat. Allerdings ist sie auch dort matter als sonst. Alle Familienmitglieder streichen ihr, wo immer sie liegt, mitfühlend über den Kopf, und das ist, wie ich seit gestern Abend weiß, grundfalsch. Da habe ich nämlich, nach einer mäßigen Folge einer sonst von mir geschätzten Serie noch ein bisschen rumgezappt und wollte gerade an einer ZDF – Quasselrunde vorbeizappen, als ich dort zwei Hunde entdeckte, Belgische Schäferhunde, wie sich herausstellte. Diese etwas nervösen Gesellen gehörten zu einer Hundetrainerin, sympathisch, kompetent, mit einem vermutlich höheren IQ als der Mann, der ihr alberne Fragen stellte. Die Hund beschnupperten drei weitere Gäste des Quasselmasters, die eher hilflos den Tieren über den Kopf strichen. Das wurde von der Hundetrainerin sofort moniert: Hunde mögen nicht, wenn man ihnen über die Schädeldecke streicht. Ich kann das bestätigen: Häufig, wenn Emma an mir vorbeistreicht und ich ihren Kopf tätscheln möchte, duckt sie sich weg und trollt sich. Die Hundetrainerin verriet auch gleich, wo Hunde Zärtlichkeiten mögen: Hinter den Ohren, unter der Schnauze und an der Schulter. Am Bauch sowieso, den halten sie einem ja hin.
Das war aber dann auch schon der ganze Ertrag. Später radelte ein veritabler Postbote in voller Montur ins Studio und sollte offenbar schreckliche Abenteuer mit Hunden zum Besten geben. Der Mann war falsch ausgewählt. Er hatte keine Probleme mit Hunden, war lediglich vor Jahrzehnten als junger Postbote mal gebissen worden.
Da Du mich – bis auf das Thema Läufigkeit, was vermutlich nicht Dir anzulasten ist – immer an Deinem Wissenszuwachs durch Fachliteratur hast teilnehmen lassen, möchte ich mich mit dem Kurzreferat eines Artikels in der New York Times (Montagsbeilage der Süddeutschen ) revanchieren. Dort stand zu lesen, dass es Wissenschaftlern der Universität Triest gelungen ist, das Schwanzwedeln der Hunde zu einem Forschungsgebiet zu machen. Das Ergebnis sieht wie folgt aus: Sehen Hunde ihr Herrchen oder Frauchen, oder sonst eine liebe Person, wedeln sie nach rechts. Sehen sie einen Fremden Hund, wedeln sie nach links. Mit dieser Erkenntnis haben sich aber die Forscher nicht begnügt. Beim Rechtswedeln ergibt sich zwischen Hundehinterteil und Schwanzspitze ein Winkel von 82 Grad. Beim Linkswedeln sind es nur 75 Grad. Was sich daraus ergibt, verschweigt der Artikel. Ich habe Emma beobachtet und konnte das Forschungsergebnis nicht bestätigen. Emma wedelt beidseitig. Immer. Vielleicht wedeln triestiner Hunde anders. Ich wollte schon immer mal nach Triest. Auf den Spuren von Italo Svevo.
Herzlich Dein Ulrich
Gut geschrieben 😀
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