HUNDEBRIEF 08.10.15

Lieber Hansjürgen,

beginnen wir mit Deiner freundlichen Frage nach Emmas Wohlbefinden. Eben lag sie noch in einer Ecke neben dem Klavier (niemand spielt drauf, leider) und betrachtete mich. Was sie an mir sieht, weiß ich nicht. Ich sitze am Schreibtisch und bewege lediglich die Finger auf der Tastatur. Das kann auch, was optische Reize betrifft, den genügsamsten Hund kaum begeistern. Vielleicht hat sie sich deshalb in eine andere Ecke zurückgezogen, wo es mehr zu sehen gibt.

Überhaupt Ecken. Je älter Emma wird, desto seltsamere Orte sucht sie sich zum Hinlegen. Bevorzugt sind dabei solche, in die sie sich hineinquetschen muss. Warum? Fehlt ihr eine Hundehütte? Ein Ort, in dem sie sich unsichtbar machen kann? Wenn ja: Hundehütte in der Wohnung wäre doch sehr speziell. Vielleicht würde die Möglichkeit unter ein Bett zu kriechen genügen. Aber dazu sind sämtliche Betten in unserer Wohnung ungeeignet. Hund passt nicht drunter. Katze vielleicht. Aber tröstet das Emma?

Möglicherweise liebt Emma aber einfach nur unbequeme Ecken. Dann geht es ihr, um Deine Frage nun zu beantworten, gut.
G. und die Töchter finden, dass man Emma ihr Älterwerden anmerkt. Ich finde das nicht. Gut, sie ist um die Schnauze herum grau geworden. Aber körperlich kann ich keine Veränderungen feststellen. Wenn es darum geht, ein Leckerli abzufassen, katapultiert sie sich aus der Liegehaltung wie immer in Sekundenbruchteilen nach oben. Nach den täglichen Ausflügen mit den Hundeführern ist sie müde. Wäre ich auch. (Weil ich auch nicht mehr der Jüngste bin? Vielleicht.) Aber Emma war auch in jungen Jahren nicht der ausgesprochene Laufhund. Ich erinnere mich an eine längere Wanderung in der Uckermark, als sie sich nach ungefähr zwei Stunden neben den Weg legte und uns mit einem Blick ‚So Leute, ich mach jetzt mal Pause’ ansah. Nicht sonderlich erschöpft, nicht mit heraushängender Zunge, sondern einfach so. Ich empfand das als einen bemerkenswerten Ausdruck eines freien Hundewillens.

All das liegt nun wieder vor Euch. Wir sind gespannt auf die Neue und voller Vorfreude auf die erste Begegnung. Welpe im Winter ist vielleicht weniger anstrengend als Ihr befürchtet. Ablagen sind im Schnee leichter zu finden als im Laub, zum Beispiel.
Emma kommt gerade wieder in mein Arbeitszimmer, zwängt sich neben das Klavier. Vielleicht gefällt ihr das Klappern der Tasten. Darauf muss sie, wenn es das ist, nun verzichten.

Ich schließe diesen Brief in der Hoffnung, dass Emma Euren Familienzuwachs mögen möge.
Herzlich Dein Ulrich

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