Zwei Minister*innen werden heuer von Teilen der Presse gescholten. Der Innenminister für seine vielleicht etwas voreilig geäußerten Leitkulturgedanken, die Verteidigungsministerin, weil sie findet, dass in ihrem Laden was schief läuft.
Beide Minister*innen sind für unsere Sicherheit unverzichtbar. Die eine für die äußere, der andere für die innere.
Dem Innenminister wird vorgehalten, dass er Händeschütteln als etwas zutiefst deutsches hervorhebt. An der Kritik ist was dran. Wenn der Innenminister hin und wieder Zeit fände sich unter jüngere Mitbürger zu begeben, würde er feststellen, dass dort das Händeschütteln out ist. Man umarmt sich kurz und herzlich. Auch unter erwachsenen Freundinnen und Freunden hat das Umarmen das Händeschütteln abgelöst. Hände schüttelt man zwar nach wie vor mit Mitmenschen, die einem nicht so nahe stehen, aber das Umarmen scheint doch zu überwiegen.
Dem Innenminister kann das nicht entgangen sein. Deshalb eine Vermutung: Geht es ihm vielleicht viel mehr um das Verweigern des Händedrucks als ums Handgeben? Meint er möglicherweise die Kränkung und das Gefühl der Herablassung, die aus der Verweigerung entstehen können? Meint er misogyne Mitbürger aus zugewanderten Kulturkreisen, deren konservative Repräsentanten und Kleriker?
Dann sollte er es sagen. So, wie er es sagt, klingt es ein bisschen rückwärtsgewandt. Mein italienischer Cafébarbesitzer reicht mir seit langem vor dem morgendlichen Milchkaffe die Hand, weil auch er das für deutsch hält. Ich tue ihm den Gefallen, mir allmorgendlich von ihm die Hand schütteln zu lassen und hoffe, dass sich die Keimübertragung in Grenzen hält.
Die Verteidigungsministerin hat sich dankenswert deutlich zu seltsamen Riten geäußert, die sich bei unserer, und ich sage bewusst unserer Armee eingeschlichen haben und findet es kritikwürdig, dass es anscheinend in manchen Kasernen bräunlich brodelt und dass ein deutscher Offizier mit rechter Gesinnung terroristische Anschläge geplant hat.
Es muss in Erinnerung gerufen werden, dass unsere Bundeswehr einmal sehr stolz war auf den ‚Bürger in Uniform’ und die sogenannte Innere Führung. Das war eng verbunden mit der Allgemeinen Wehrpflicht, die junge Bürger, wenn sie keine Wehrdienstverweigerer waren, ausnahmslos betraf. Es handelte sich dabei also um einen repräsentativen Querschnitt durch alle Bevölkerungsschichten. Seit ein flotter, junger bayrischer Verteidigungsminister mit Zustimmung der Parlamentsmehrheit die Wehrpflicht hat abschaffen lassen, ist das nicht mehr so. Eine Berufsarmee ist sehr anders zusammengesetzt als eine Wehrpflichtarmee. Wehrpflichtige wurden nach ihrer Ausbildung ins zivile Leben entlassen. Sie konnten von ihren Erfahrungen in der Truppe freimütig berichten. Ihre Ausbilder und deren Vorgesetzte wussten das. Diese Öffentlichkeit war in gewisser Weise ein Schutzschild gegen Übergriffe und Fehlentwicklungen. Eine Berufsarmee entwickelt zwangsläufig zuweilen schädlichen Korpsgeist. Und zwar dann, wenn nicht Tolerierbares unter der Decke gehalten wird. Bis es darunter hervorkommt kann es, wie man sieht, lange dauern. Der Ministerin daraus einen Vorwurf zu machen ist unredlich. Sie wünscht sich, wie wir, Soldaten, denen sie mit gutem Gewissen die Hand geben kann. Da passt es hin.
UdM